Wenn Frauen etwas verschenken.

Humoristisch-satirische Plauderei von Freiherr von Schlicht
in: Frauen!


Meine Frau ist in vieler Hinsicht wirklich das Ideal einer Ehefrau, sie schreibt keine Bücher(1), sie spielt nicht Klavier, sie kann ausgezeichnet kochen und sie macht niemals Handarbeiten. Namentlich das letztere schätze ich als eine große Tugend, denn Frauen, die handarbeiten, sind mir ein Greuel, schon deshalb, weil Frauen in dieser Hinsicht kein Maß halten können. Wenn die erst einmal mit so etwas anfangen, hören sie damit nicht wieder auf und was sie zu Hause beginnen, setzen sie auf der Reise fort. Man sieht es ja alljährlich in den Badeorten: in den Wäldern, auf den Feldern, auf den Wiesen und auf der Promenade, auf den Aussichtstürmen, kurz, überall, wo eine Bank steht, sitzt ein weibliches Wesen und handarbeitet. Ja, ich erinnere mich einer Dame, die ich vor Jahren kennen lernte, als ich eine Nordlandreise(2) machte. Als wir von Hamburg abfuhren, fing sie damit an, einen Strumpf zu stricken, als wir die Nordsee hinter uns hatten, war der Strumpf bis zur Ferse geiehen, angesichts des Nordkaps nahm sie die Hacke ab und als wir im ewigen Eis trieben, kantelte sie die Strumpfspitze ab.

Meine Frau macht Gott sei Dank nie Handarbeiten und so traute ich denn meinen Augen nicht, als sie sich vor Beginn unserer letzten Sommerreise Häkelgarn besorgte. „Es ist nur für alle Fälle,” beeilte meine Frau sich, mich zu beruhigen, als sie meinen entsetzten Blick sah, „ich halte es für ganz ausgeschlossen, daß ich überhaupt häkeln werde, aber man kann doch nicht wissen, ob dieser Sommer ebenso schön wird wie der vorige und wenn nun viele Regentage kommen sollten, ja, ganz gewiß, ich werde auch dann nicht häkeln. Du brauchst dich gar nicht zu beunruhigen, aber wir wollen doch schließlich ein paar Monate fortbleiben und die ganze Zeit kann ich doch auch nicht dasitzen und die Hände in den Schoß legen. Aber wie gesagt, du brauchst dich gar nicht zu beunruhigen.”

Wenn eine Frau ihrem Mann erklärt, es läge für ihn nicht die geringste Veranlassung vor, sich irgendwie zu beunruhigen, dann ist sie von der Unwahrheit dessen, was sie sagt, fest durchdrungen und so wußte ich denn auch im voraus, daß meine Frau doch häkeln würde.

Meine Befürchtung, daß sie schon auf der Fahrt zum Bahnhof, als es in Strömen regnete, im Automobil das Häkelzeug herausnehmen würde, erwies sich als grundlos und auch die Eisenbahnfahrt ging glücklich von statten. Aber schon, als ich am nächsten Morgen zu meiner Frau in das Zimmer trat, saß sie und häkelte: „Nein, nein,” rief sie mir entgegen, „du brauchst wirklich nichts zu fürchten, ich häkle gar nicht, ich versuche nur, ob ich überhaupt noch häkeln kann. Es sind Jahre her, daß ich kein Häkelzeug zur Hand nahm und ich fürchte, ich werde es gar nicht mehr können.”

Wenn eine Frau etwas befürchtet, ist sie davon überzeugt, daß gar kein Grund vorliegt, sich zu fürchten, denn wenn eine Frau sich wirklich fürchtet, fängt sie an zu weinen, oder sie ruft ihren Mann, damit der sie dadurch tröstet, daß er ihr einen neuen Hut verspricht und ihr dadurch aufs beste beweist, daß sie sich wirklich nicht zu fürchten braucht. So war meine Frau denn auch im stillen felsenfest davon überzeugt, daß sie gar nichts zu befürchten brauchte, und freudestrahlend überraschte sie mich schon nach einer Stunde mit der Mitteilung, es ginge viel besser, als sie gehofft hätte, das erste Meter Spitze sei schon fertig und ich solle ihr sagen, was ich dazu sage.

Aber ich sagte gar nichts, sondern nahm ein Blatt Papier zur Hand und schrieb dort eine Rechenaufgabe nieder: wenn eine Frau, die eigentlich gar nicht häkeln will und eigentlich gar nicht häkeln kann, am ersten Tag der Sommerreise in einer Stunde einen Meter Spitze häkelt, wieviel häkelt sie dann, wenn sie erst in Übung ist, innerhalb von vierzehn Wochen?

Die Zahl, die herauskam, war so riesengroß, daß ich zu der Überzeugung kam, ich müßte mich verrechnet haben, denn soviel Meter Spitze gab es nach meiner Meinung auf der ganzen Welt nicht.

Und meine Frau häkelte weiter, nein, ganz gewiß, sie dachte gar nicht daran, wirklich zu häkeln und eine Handarbeit zu machen, nein, das überließ sie anderen Frauen, aber es regnete draußen in Strömen, das Feuer brannte so behaglich im Ofen und sie konnte bei dem Häkeln so gut zuhören, wenn ich ihr aus der Zeitung vorlas, und ich rauchte doch auch den ganzen Tag, schon weil ich immer etwas in der Hand haben müßte, wenn es auch nur eine Zigarre wäre, und aus diesen und zehntausend anderen Gründen häkelte meine Frau, nicht, um zu häkeln, sondern lediglich, weil sie häkelte.

Eine Frau hat für das, was sie tut, niemals eine Entschuldigung, wohl aber tausend Erklärungen. Bei uns Männern ist es leider gerade umgekehrt.

Meine Frau häkelte und die gehäkelte Spitze wurde aufgerollt. Erst wars ein Knäulchen nur, dann ward ein Knäuel daraus, dann wuchs das Knäuel zu der Größe eines Fußballes und nach Wochen war aus dem Knäuel eine Kanonenkugel geworden. Und die Kugel wuchs und wuchs, bis ich endlich eines Tages fragte: „Geliebtes Weib, nun sage mir bitte einmal, was machst du denn nur mit dieser Spitze? Du selbst wirst sie ja doch nicht gebrauchen, also, was fängst du mit diesen viertausend Kilometern Spitze an, die du da vor dir liegen hast?”

Meine Frau machte ein beleidigtes Gesicht, wie Frauen es immer machen, wenn sie nicht die leiseste Ursache haben, beleidigt zu sein, dann meinte sie: „Erstens sind es keine viertausend Kilometer Spitze, sondern höchstens, aber auch allerhöchstens siebenhundert Meter, und zweitens weiß ich schon sehr genau, was ich mit der Spitze mache, ich verschenke sie, ich weiß nur noch nicht an wen.”

Aber am Mittag, als die Post kam, wußte sie es. Lotte hatte ihr geschrieben, ihre liebe, kleine Nichte Lotte. Meine Frau wußte zwar noch nicht, was in dem Brief stand, denn sie hatte den noch nicht gelesen, aber schon, daß die kleine Lotte ihr schrieb, war geradezu rührend. Meine Frau war in der letzten Zeit gar keine gute Tante gewesen und trotzdem hatte die kleine Lotte sie nicht vergessen. Die schrieb jetzt ganz aus sich selbst heraus, ohne jede besondere Veranlassung, sicher nur deshalb, um zu wünschen, daß meiner Frau die Badereise gut bekäme. Lotte bekam die Spitzen, gerade die konnte die so gut für ihre Hemden und Höschen gebrauchen und wie würde die kleine Lotte, ein Mädchen von zwölf Jahren, sich darüber freuen! Was ich dazu meinte, ob wir Lotte nicht einmal auf Besuch kommen lassen wollten? Eine Reise würde der sicher sehr gut tun, die Eltern hatten es ja nicht dazu, und Lotte war ein so süßes, kleines Geschöpf und so bescheiden, nie hatte sie einen Wunsch.

Bis meine Frau dann den Brief gelesen hatte und mir ganz erregt zurief: „Nein, diese Lotte, wie kann man mit zwölf Jahren nur so unbescheiden sein? Mein Gott, ich war doch auch einmal jung, aber gleich soviel Wünsche auf einmal zu haben, das ist doch geradezu unerhört. Was hat die nötig, mich daran zu erinnern, daß sie in acht Tagen ihren Geburtstag feiert? Sie hätte es doch erst abwarten können, ob ich den vergessen würde und nun schickt sie mir schon ihren Wunschzettel: Geld für ein Paar Stiefeln und Schuhe, dann braucht sie ein neues Kleid und neue Schürzen und neue Wäsche, mein Gott, ich bin doch nicht die Mutter und wozu hat sie denn einen Vater? Der kann doch für sein Kind sorgen. Na, ich will ihr ja gern hundert Mark schenken, aber soviel weiß ich, die Spitze bekommt sie nicht, die schicke ich lieber deiner Schwester, die kann sie auch für ihre Kinder gebrauchen.”

„Aber die Kinder meiner Schwester sind doch lauter Knaben,” warf ich ein, „die können doch keine Spitzenhemden und Spitzenhöschen tragen.”

„Dann schenke ich sie eben jemand anders,” rief meine Frau nervös, „das Verschenken hat doch auch gar nicht solche Eile, zuerst muß die Spitze doch überhaupt ferig sein.”

Ich blickte ganz entsetzt auf das riedenhaft große Ding, dsa meine Frau schon längst nicht mehr auf dem Schoß halten konnte, sondern das vor ihr auf dem Tische lag, dann fragte ich: „Ist die Spitze denn noch nicht fertig?”

Meine Frau warf mir einen Blick zu, der mir bewies, daß meine geistigen Fähigkeiten nur ganz minimaler Natur seien, dann sagte sie: „Eine Spitze wird bekanntlich überhaupt nicht fertig, die kann man so lang machen, wie man will und wenn man trotzdem einmal fertig wird, liegt das nur daran, daß man eines Tages keine Lust mehr an der Arbeit hat und mit ihr Schluß macht.”

„Mach bald Schluß,” bat ich, „oder mach meinetwegen Kurzschluß, denn wenn das noch lange so fortgeht, muß ich zwei Dienstmänner beordern, die dich und deine Häkelarbeit zu mir in mein Wohnzimmer tragen, wenn du dich einmal nach mir umsehen willst.”

Meine Frau hatte gar nicht hingehört, das bewies ihre Frage, mit der sie mich jetzt überraschte: „Was meinst du dazu, wenn ich die Spitzen an Tante Berta schenke, oder noch besser, an meine Kousine Ella, oder an Tante Paula?”

Schon, weil meine Frau den Namen zuletzt nannte, war ich für Tante Paule, auch schon deshalb, damit diese schwierige Frage gelöst würde, aber als ich meine Ansicht geäußert hatte, sollte ich die auch begründen. Ich sollte meiner Frau erklären, warum ich gerade für Tante Paula wäre, warum gerade diese die Spitzen haben solle, obgleich doch gerade Tante Paula sich bei unserer Hochzeit recht sonderbar benommen hätte. Nur ein kurzes Telegramm hätte sie gesandt, sonst nicht die leiseste Aufmerksamkeit, keine Blumen, kein Nichts, ob ich das vergessen hätte und wie ich dazu käme, trotzdem für Tante Paula zu stimmen.

Ich fing an, nervös zu werden und so meinte ich denn nur: „Mir persönlich ist es doch ganz gleichgültig, wem du die Spitze schenkst, meinetwegen kannst du sie auch irgend einer armen Frau geben, z. B. deiner Wäscherin, die hat dir doch erst neulich erzählt, wie schwer sie es hat, sich mit ihren zehn Kindern durchzubringen.”

Meine Frau drückte mir zärtlich die Hand: „Das werde ich dir nie, niemals vergessen, daß du mich auf diesen hübschen Gedanken gebracht hast. Ja, ja, die arme Frau! Ist es nicht entsetzlich, zehn Kinder zu haben! Gewiß, der will ich die Spitzen schenken und gleich heute noch. Zehn Kinder, das Jüngste ist erst ein halbes Jahr alt, geradezu schrecklich. Aber warum setzen die Leute auch so viel Kinder in die Welt, das ist doch ihre eigene Schuld und an den fünfzig Mark, die ich der armen Frau neulich schenkte, und an den zwanzig Mark, die du noch dazu gabst, hat sie doch eigentlich genug. Wir können doch nicht die ganzen Kinder ernähren und was brauchen solche armen Leute eine so teure Spitze? Und schließlich, so weit geht mein gutes Herz denn doch nicht, daß ich die ganze Zeit für arme Leute gehäkelt haben soll, da gebe ich sie doch lieber jemandem, der sie zu würdigen weiß, z. B. meiner Schwester Klara.”

„Schn,” sagte ich, „dann schicke sie also an Klara.”

Wieder drückte meine Frau mir die Hand, dann sagte sie: „Mich freut es sehr, daß du mir beistimmst, aber verdient hat Klara die Spitzen eigentlich nicht. Wie soll ich eigentlich dazu kommen, gerade ihr ein Geschenk zu machen? Die ist in der letzten Zeit gar nicht so freundlich gewesen, du weißt doch, sie ist immer beleidigt und nimmt jede Kleinigkeit übel. Und wenn ich der einen Schwester etwas schenke, dan wollen die anderen auch etwas geschenkt haben. Das beste wäre schon, man fände eine unparteiische Dritte, die gar nicht zur Familie gehörte.”

Und nach langem Suchen wurde die unparteiische Dritte, die in keiner Weise zur Familie gehörte, gefunden, sie hieß Agathe, war in unserem Hotel das Stubenmädchen und war so nett und so bescheiden und immer aufmerksam und immer willig und sie hatte so wundervolle braune Augen und war so sauber und so propper — — — kein Mensch auf der ganzen Welt war würdiger, die Spitze geschenkt zu erhalten, als Agathe. Das war nicht nur beschlossen, sondern das blieb sonderbarerweise auch beschlossen. Meine Frau freute sich wie ein Kind darauf, dem Mädchen eine Freude zu machen. Um dies so bald wie möglich tun zu können, geschah ein Wunder: die Spitze war plötzlich fertig. Wie eine in sich zusammengerollte Riesenschlange lag die Rolle Spitze da und das Programm für die feierliche Übergabe wurde in alle Eile entworfen. Ich sollte nach dem Mädchen klingen und ihr, sobald sie erschienen war, eine kleine Ansprache halten, in der ich ihre Tugend pries, und im Anschluß daran wollte meine Frau ihr die Spitze in die Hand, nein, in die Arme drücken, denn mit den Händen allein konnte sie diese Riesenlast nicht tragen.

Die Sache konnte vor sich gehen, so stellte ich mich denn feierlich in Positur und klingelte, zweimal, wie die Hotelordnung es vorschreibt, wenn man das Mädchen ruft.

„Paß auf,” sagte meine Frau, „Agathe wird jetzt sofort erscheinen.”

Aber Agathe erschien nicht.

„Vielleicht hat sie das Zeichen nicht gehört,” meinte meine Frau, „klingle doch nochmals.”

Und ich klingelte zum zweitenmale.

Aber Agathe erschien nicht.

„Denn nicht,” meinte meine Frau plötzlich, „wenn Agathe denn nicht kommt, dann läßt sie es bleiben und selbst, wenn sie jetzt noch erscheinen sollte, mir ist die Lust, ihr eine Freude zu machen, vergangen. Ich bin dazu nicht mehr in der richtigen Stimmung und außerdem, wie soll ich eigentlich dazu kommen, ausgerechnet der Agathe die Spitzen zu schenken? Gewiß, sie ist ja an und für sich ein ganz nettes Mädchen, aber allzuviel kann man sich doch nicht auf sie verlassen, das sieht man ja jetzt am besten. Das Mädchen hat doch da zu sein, dafür wird sie doch bei der Abreise durch das Trinkgeld bezahlt, an dem hat sie völlig genug, was braucht sie da noch die Spitzen? Es tut mir nur leid, daß ich die Agathens wegen so schnell fertig gemacht habe.”

So schnell ! ich glaubte, nicht recht gehört zu haben, aber noch bevor ich darauf etwas hätte erwidern können, klopfte es an die Tür, und gleich darauf erschien Agathe und bat tausendmal um Entschuldigung: es seien so viel neue Gäste angekommen, sie habe drüben in der Dependance helfen müssen, sie sei eben erst zurückgekommen und habe da am Klingelapparat gesehen, daß von uns geschellt worden sei. Das täte ihr sehr leid, aber die Schuld träfe nicht sie, sondern den Herrn Direktor, der sie abgerufen habe.

„Na, dann ist es gut,” meinte meine Frau und schon glaubte ich, sie würde dem Mädchen nun doch noch die Spitze schenken. Ich warf meiner Frau einen fragenden Blick zu: „Soll ich jetzt reden?”

Aber die schüttelte energisch den Kopf und erklärte dem Mädchen: „Ich wollte Sie vorhin bitten, mir hinten die Taille zuzuhaken. Da Sie nicht kamen, hat mein Mann mir geholfen und ich brauche Ihre Hilfe jetzt nicht mehr.”

Agathe verschwand und wir blieben wieder allein, bis meine Frau dann plötzlich zu mir sagte: „Weißt du, ich habe mir eben Agathe noch einmal daraufhin angesehen. Die ist eigemtlich gar nicht so hübsch und auch ihre Augen gefallen mir gar nicht mehr, ich kann mir nicht helfen, vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, aber die hatten vorhin einen so falschen Ausdruck. Ich bin nur froh, daß sie vorhin nicht gleich kam und daß ich ihr die Spitze nicht geschenkt habe. Ehe ich ihr die gebe, schenke ich sie lieber deiner Sekretärin, die ist auch keine Millionärin und kann die Spitze sehr gut für ihre Wäsche gebrauchen.”

Ich rang die Hände, dann bat ich: „Über alles geliebtes Weib, wem du die Spitze schenkst, ist mir so gleichgültig wie möglich, nur tu mir die einzige Liebe und verschenke sie jetzt wirklich, damit die Sache ein Ende hat.”

Meine Frau sah mich ganz verwundert an, dann meinte sie: „Ihr Männer seid wirklich komisch. Ich kann die Spitze doch nicht der ersten besten schenken, nur um sie los zu werden. Ich muß doch erst reiflich überlegen, wem ich sie geben soll.”

„Dann überleg' weiter,” bat ich, „aber wenn du noch einen Funken Liebe zu mir empfindest, dann überleg' allein, dann überlege wenigstens ohne mich. Mir tun schon jetzt sämtliche Kopfnerven weh und wenn das noch fünfundzwanzig Jahre so weitergehen soll, ob du die Spitze der Ida oder der Frieda, der Anna oder der Paula schenken sollst, dann kannst du mich in eine Irrenanstalt bringen lassen.”

Meine Frau war beleidigt und wandte sich ab: „Bitte, bitte, sei ganz unbesorgt, ich werde dich nicht weiter fragen, ich werde schon ohne dich zu einem Entschluß kommen und dir viel schneller als du glaubst mitteilen, daß ich die Spitze verschenkt habe.”

Und das geschah wirklich viel schneller, als ich geglaubt hatte, denn schon nach drei Monaten erklärte mir meine Frau eines Morgens am Früstückstisch: „Damit du es nur weißt, ich habe die Spitze gestern verschenkt.”

Ein innbrünstiges „Gott sei Dank” entrang sich meinen Lippen und unwillkürlich faltete ich die Hände und sandte ein Dankgebet zum Himmel. Dann aber fragte ich: „Darf ich auch wissen, wem du sie geschenkt hast?”

Meine Frau zuckte die Achseln: „Warum fragst du? Du hast mir ja selbst erklärt, es wäre dir ganz gleichgültig, ob ich sie an Ida oder an Frieda, an Anna oder an Paula gäbe. Warum interessiert es dich nun plötzlich? Die Spitzen sind verschenkt, das laß dir genügen.”

Und es genügte mir. Ich war ja so froh, denn im stillen hatte ich doch immer gefürchtet, meine Frau würde allein zu keinem Entschluß kommen und mich abermals fragen, wem sie die Spitze schenken solle. Nun war die Gefahr dauernd beseitigt, die Spitze war verschenkt, hurrah !

Bis dann eines Tages, als wir schon längst wieder von der Reise zurück waren, meine Frau von einem stärkeren Unwohlsein befallen wurde, das sie zwang, das Bett zu hüten. Ich saß bei ihr im Zimmer und leistete ihr Gesellschaft, als sie mich plötzlich bat, ihr aus dem großen Spiegelschrank im Schlafzimmer ein Umschlagetuch herauszusuchen, sie fror und wollte sich das um die Schultern legen.

Meine Frau ist die Ordnung selbst, sie weiß von jeder Stecknadel, wo die in unserem Hause liegt, aber trotzdem lag das Tuch unbegreiflicherweise nicht da, wo es nach Angabe meiner Frau liegen sollte. So suchte ich denn sämtliche Borde durch und als ich das Tuch gar nicht fand, öffnete ich die große Schublade, die sich unten im Schrank befindet.

Aber als ich die geöffnet hatte, erstarrte das Blut in meinen Adern, denn dort vor mir lag, zusammengerollt wie vor einigen Monaten, das Riesenknäuel der auf Reisen gehäkelten Spitze.

Einen Augenblick stand ich starr da, dann machte ich die Schublade wieder leise zu und suchte weiter nach dem Tuch, bis ich es endlich fand und es meiner Frau brachte. Dann aber fragte ich: „Sag' mal, Liebling meines Herzens, ich sah dort vorhin in dem Schrank deine Häkelnadel liegen und dabei fiel mir die Spitze wieder ein, die du damals auf Reisen häkeltest. Kannst du mir auch jetzt noch nicht sagen, wem du sie geschenkt hast? An und für sich ist da ja ganz gleichgültig, aber trotzdem, wer hat sie denn nun eigentlich erhalten?”

Meine Frau sah mich ganz erschrocken an und in ihren Augen las ich die stumme, bange Frage: „Um Gotteswillen, hast du etwa die Schublade aufgemacht?”

Aber mein Gesichtsausdruck mußte sie beruhigen, denn so völlig unbefangen sah ich sie an, als wäre ich tatsächlich nicht hinter ihr Geheimnis gekommen. Auch der Klang meiner Stimme war ganz wie sonst. Nein, meine Frau merkte es mir deutlich an, daß ich die Schublade nicht aufgemacht hatte und so sagte sie denn endlich: „Wie kann ich das heute noch wissen, wem ich die Spitze schenkte? Es ist doch schon so lange her. Ich glaube, ich schenkte sie doch an meine Nichte Lotte, oder an deine Sekretärin, oder an meine Schwester oder an deine Schwester.” — Und dann bat sie plötzlich: „Gott, quäle mich doch nicht damit, es ist doch schon so endlos lange her und ich habe doch so rasende Kopfschmerzen. Was liegt daran, wer sie hat, verschenkt ist sie auf alle Fälle.” Und nach einer langen Pause, vielleicht doch etwas von ihrem schlechten Gewissen getrieben, setzte sie hinzu: „Ich selbst habe die Spitze jedenfalls nicht behalten, es könnte höchstens sein, daß ich sie mir selbst geschenkt hätte!” — — —


Fußnoten:

(1) Ist das eine Anspielung auf seine erste Ehefrau? Das wäre die erste, die ich gefunden hätte. (Zurück)

(2) Vom 30.7.1898 bis ca.24.8.1898 machte Schlicht/Baudissin eine Nordlandreise mit dem damals sehr bekannten Kapitän Bade. Siehe dazu die Berichte:

Bade in Spitzbergen
Mit Bade in Spitzbergen
Mit Bade in Spitzbergen
Aus dem Lande der Mitternachtssonne
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