Torfbacken.(1)

Humoristische Plauderei.
Von Freiherr von Schlicht.
in: „Das kleine Journal”, Nr. 119 vom 30. April 1896,
in: „Abendblatt” (Chicago Ill.) vom 13.05.1896 und
in: „Aus der Schule geplaudert”.


Ich bin in der Moorkultur zu wenig bewandert, um zu wissen, um welche Jahreszeit der Torf, der im Winter zur Verschönerung unseres Lebens beiträgt, gebacken wird — das aber weiß ich, daß jetzt beim Militär mächtig „Torf gebacken” wird.(2)

Die Zeit des Kompagnie-Exerzierens ist vorüber. Der Herr Major und Bataillons­kommandant, der sich bisher riesig groß vorkam, weil er immer nur etwas auf den Hut gab, ohne selbst etwas darauf zu bekommen, fängt an, sich von Tag zu Tag unbehaglicher und ungemüthlicher zu fühlen. Die Srunde, da er wirken soll, steht vor der Thür. Ihm graut vor dieser Stunde, das dolce far niente war zu süß, das Geld wurde so leicht verdient — vorbei, vorbei des Lebens Mai. Nun gilt's zu zeigen, was er kann. Zunächst wendet er sein Interesse seinen Pferden zu, die den ganzen Winter im Stall gestanden und nur von dem Burschen etwas bewegt worden sind.

„Morgen früh um neun Uhr will ich die Liese in der Bahn reiten.”

„Zu Befehl, Herr Major.”

Am nächsten Morgen ersteigt er mit des Himmels und des Burschen Hilfe sein Schlachtroß. Dann wird die Thür geschlossen und der Herr Major ist allein. Erst im Schritt, dann im Trab und Galopp werden Reitstudien gemacht — die Arbeit aber ist ungewohnt, zu lange hat er nicht auf dem Rücken des Pferdes gesessen und öfter, als ihm lieb ist, muß er den Stabsoffizier-Zügel, das ist der Sattelknopf, ergreifen. Uebung aber macht den Meister, nach acht Tagen fühlt er sich im Sattel so sicher wie nur je und so diktirt er denn eines schönen Morgens seinem Adjutanten die inhaltsschweren Worte: „Morgen früh um 8,30 M.(3) steht das Bataillon unausgeruht in Tiefkolonne auf dem Exerzierplatz, Front nach dem Wäldchen, Tête an der Warnungstafel.”

Und Jeder, der diese Worte hört, fällt vor Schrecken in die Knie und jammert: „Heiliger Bramaputra — nun geht das Torfbacken los.”

Ein Bataillon hat bekanntlich vier Kompagnien, jede von diesen drei Züge, ein Bataillon deren also nach Adam Riese zwölf. Wenn diese zwölf Züge hintereinanderstehen und wenn von Zug zu Zug sieben Schritt Abstand sind, wenn das Bataillon also in Tiefkolonne steht und wenn der Herr Major dann vor dem Bataillon hält, so sollen die hinteren Züge auf den vordersten Zug „Vordermann” haben, d. h. die Mannschaften sollen so stehen, daß sie sich auf den Vorderen eindecken. Jeder Mann muß zu diesem Zweck seinem Vordermann scharf in das Genick sehen, sobald er rechts oder links vorbei sieht, steht er eben nicht auf Vordermann, und jeden Kerl, der keinen Vordermann hat, „soll der Teufe holen”.

Der Beherrscher der Unterwelt kümmert sich Gott sei Dank nicht um das, was der Herr Major voll Ingrimm jeden Tag tausendmal ruft — thäte er es und holte er alle Diejenigen weg, die er holen sollte, so müßte schon nach wenigen Tagen das Bataillonsexerzieren wegen Mangel an Beteiligung ausfallen.

Es bedarf wohl kaum der besonderen Betonung, daß das Vordermann-Nehmen wahnsinnig schwer ist — es geht und geht nicht, aber es muß gehen, weil es im Reglement verlangt wird. Daher wird es geübt bis zum Erschlaffen und diese geistreiche Thätigkeit, vierhundert­undachtzig Mann eines Bataillons so aufzustellen, daß sie sich gegenseitig „in das Genick sehen”, nennt man Torfbacken.

Das Bataillon ist an dem im Befehl bekanntgegebenen Platz angekommen, hat die Gewehre zusammengesetzt und ist „weggetreten”. Die Leute sind mit der Vertilgung des von der Kaserne mitgenommenen Frühstücks beschäftigt, die Offiziere stehen in einer Gruppe vereinigt und erzählen sich die unglaublichsten Geschichten, um sich die Zeit zu verkürzen.

Da erschallt das Kommando: „An die Gewehre!” Jeder eilt, so schnell er kann, an seinen Platz, die beste Stulle bleibt ungegessen, der beste Witz unerzählt. Der Herr Major hat seinen Degen gezogen — nun geht's los.

„Gewehr in die Hand!”

Jeder Mann ergreift sein Gewehr und nun wird „gerührt”, d. h. bequem gestanden. Aber wer da glaubt, dieses „Rühren” sei nur dazu da, um für weitere Heldenthaten neue Kräfte und frischen Muth zu sammeln, der irrt sich gewaltig. „Rühren” heißt „Richtung, Fühlung und Vordermann aufnehmen&rdquo:

„Stillgestanden!”

Die fünfhundert Mann, die noch vor einer hundertstel Sekunde sich hin- und herschoben, stehen starr, unbeweglich, wie aus Erz gemeißelt. Nichts rührt sich, kein Glied, kein Auge, keine Wimper.

Der Major hält mit seinem Pferde vor dem Zugführer des vordersten Zuges, hinter dem die Anderen mit je sieben Schritt Abstand stehen.

Lange Pause — „Gott sei Dank,” denken die Leutnants, „daß wir wenigstens Vordermann haben.”

„Aber, meine Herren,” ruft da der Herr Major, „ich bin starr, ich finde gar keine Worte — wie stehen Sie denn nur da — da ist ja nicht die leiseste Spur von Vordermann — der zweite Herr muß schon mehr rechts — noch mehr — noch ein Bischen — aber das ist doch zuviel. So — nun der Dritte — eine Kleinigkeit nach links — so — aber der vierte Herr — Sie müssen ja ein Meter nach rechts, noch mehr, noch ein Meter — aber ich bitte Sie, das ist doch wenigstens ein Kilometer — ja, meine Herren, wenn Sie nicht einmal Vordermann nehmen können, wie soll ich denn das von den Leuten verlangen.

„Der Fünfte muß links, noch mehr — links, liiinnks, aber Herr Lieutenant, so passen Sie doch auf und denken Sie hier nicht an Gott weiß was — der sechste Herr steht; aber der siebente — aber ich bitte Sie, Sie sehen doch drei Meilen rechts vorbei — noch mehr links, noch mehr, und der Herr hinter Ihnen auch — links — Herr, scheeren Sie sich links.

„Nr. 9, Sie haben eine falsche Fußstellung — ja, meine Herren, wenn die Füße falsch stehen, können Sie nie und nimmer die richtige Schulterfront haben und ohne diese ist das Vordermannnehmen unmöglich — einfach uuuuuunmöglich. Noch mehr die rechte Schulter ins Glied, noch ein bischen, so, nun ist es schon etwas zu viel geworden, den rechten Fuß nun wieder etwas auswärts, linken Fuß vor und einwärts. So wird's werden.

„Nr. 10 etwas links, Nr. 11 mehr rechts, noch ein Haar, noch ein halbes Haar, Nr. 12 ebenfalls. So, nun endlich!”

Aus zwölf erlösten Herzen steigt ein „Gott sei Dank!” zum Himmel empor. Das Vergnügen hat zehn Minuten gedauert, die Kniee fangen an zu schmerzen, die Füße brennen, in der Maus der rechten Hand, die den Säbel trägt, spürt man einen leisen Krampf — aber noch ist an das Kommando „Rührt Euch!” nicht zu denken, denn vorläufig stehen ja erst die Zugführer, nun müssen die fünfhundert Mann noch erst aufgebaut werden.

Die Flügelrotten der Züge haben es am leichtesten, die brauchen nur an ihre Zugführer rechts heranzugehen, dann stehen sie. Bei der zweiten Rotte stimmt es schon etwas weniger und dieses „etwas” wächst, je mehr sich der Herr Major dem linken Flügel nähert.

Vor der zehnten Rotte hält der Major mit einem Gesicht, als wenn er jede Sekunde die Ankunft eines Schlaganfalles erwartete.

„Kerl, in des drei Teufels Namen, scheeren Sie sich mehr links.”

Nichts rührt sich.

„Zum Donnerwetter, wollen Sie sich wohl gefälligst links scheeren.”

Nichts rührt sich.

„Der Herr Hauptmann von der Zweiten, bitte, kommen Sie doch einmal her.”

Mit einer eleganten Volte kommt der Häuptling angesprengt.

„Herr Hauptmann, sehen Sie sich einmal diesen Menschen an, zweimal habe ich ihm nun schon zugerufen, er soll sich links scheeren, der Kerl rührt sich nicht — ich bitte, den Mann zu bestrafen.”

„Zu Befehl, Herr Major.”

Mit einer eleganten Volte reitet der Häuptling wieder von dannen und denkt im Stillen: „Der Teufel soll mich holen, wenn ich eine Ahnung habe, wen er gemeint hat.”

Von seinem Nebenmann angestoßen, rückt der brave Krieger, der sich erst jetzt „getroffen” fühlt, da er gar nicht wußte, daß das Schelten des gestrengen Herrn ihm gälte, mehr nach links und die Sache ist endlich erledigt.

Der Herr Major reitet einen Schritt weiter und hält vor der nächsten Rotte: „Der elfte Mann vom rechten Flügel im zweiten Glied des ersten Zuges der dritten Kompagnie — Kerl, wollen Sie sich wohl auf Vordermann scheeren — Mensch, wo glotzen Sie denn wieder hin &mdash, Sie sehen ja eine Meile rechts vorbei.”

Eine tausendjährige Eiche kann nicht fester und unbeweglicher stehen als der mit solcher mathematischen Genauigkeit bezeichnete. Daß der Herr Major alle fünfhundert Mann seines Bataillons bei Namen kennen soll, ist natürlich nicht zu verlangen, so bleibt ihm nichts Anderes übrig, als die Leute so zu bezeichnen, wie er es eben thut. Aber der gute Pollak, dem die deutsche Sprache dasselbe ist wie den meisten Menschen hindostanisch, versteht keine Silbe. Aber selbst wenn er verstände, bedürfte es dennoch einer größeren Fixigkeit, als er sie besitzt, um sofort zu wissen, daß er der elfte Mann vom rechten Flügel im zweiten Glied des ersten Zuges der dritten Kompagnie ist. Das erfordert eine viel größere geistige Gewandtheit, als man für gewöhnlich anzunehmen versucht ist.

„Nun, wird's bald?” donnert der Herr Major. Der Kerl steht und rührt sich nicht.

„Wie heißen Sie?”

Erwartungsvolle Stille — keine Antwort.

„Zum Kuckuk noch einmal, so dumm werden Sie doch nicht sein, daß Sie nicht einmal Ihren Namen wissen?”

„Doch Stille, wie des Todes Schweigen,
Liegt auf dem Exerzierplatz hehr,
Als wenn die Gottheit nahe wär'.”

„Na, da hört denn doch aber wirklich Verschiedenes auf; Herr Hauptmann, wie heißt der Mann?”

Der Häuptling galoppirt vor die Front und hält neben dem Herrn Major.

„Welchen meinen der Herr Major?”

Die Degenspitze deutet auf den Unglücklichen hin.

„Verzeihen der Herr Major, der Mann ist nicht von meiner Kompagnie.”

„Nicht — von — Ihrer — Kompagnie? Wie soll ich das verstehen, Herr Hauptmann?”

„Der Herr Major haben sich versehen, der Mann steht im dritten Zug der zweiten Kompagnie.”

„So? Hm, hm, da habe ich mich geirrt und Ihnen Unrecht gethan, mein Sohn, aber ein Schafskopf sind Sie doch, das hätten Sie wohl merken können, daß ich Sie meinte.”

Nächste Rotte.

„In der vierten Kompagnie im mittleren Zug mehr rechts — noch ein Haar — aber das ist doch ein ganzer Haarbusch, das ist zu viel, noch viel zu viel, noch mehr — Herr Hauptmann von der Vierten, sehen Sie sich den Menschen einmal an, der hat keine Ahnung vom Vordermann nehmen.”

Der Häuptling schweigt, was soll er auch auf diese Bemerkung antworten.

Endlich hält der Herr Major vor der linken Flügelrotte: Das ganze Bataillon athmet erleichtert auf, Jeder denkt, nun ist's vorbei mit der Torf—bi—bäckerei.

Aber die linke Flügelrotte steht nicht, sie steht absolut nicht, sie müßte stehen, wenn sie an ihre Nebenleute herangegangen wäre, sie ist herangegangen, aber sie steht doch nicht. Wie ist das nur möglich?

Der Herr Major reitet wieder zur Flügelrotte und dann die ganze Front herunter, der Vordermann ist da — aber die linke Flügelrotte steht nicht. Der Herr Major besieht sich kopfschüttelnd sein Bataillon von vorne, von rechts und von links und endlich auch von hinten.

Und da hat er den Salat.

Die Leute, die im ersten Glied des vordersten Zuges mit Tuchfühlung, d. h. Arm an Arm stehen, haben im letzten Zug der letzten Kompagnie handbreiten Zwischenraum und noch mehr.

Aber Herr Major!

Selbstverständlich gesteht er nicht ein, daß er seine Sache schlecht gemacht hat — das kann und darf er nicht — so läßt er denn das Bataillon stehen wie es steht und kommandirt „Rührt — Euch!”

Die Kniee und die Beine sind von dem langen Stillstehen so dick und steif geworden, daß man „die Knochen” im ersten Augenblick gar nicht auseinander bringt. Aber das schadet nicht, auf das Kommando „Rührt — Euch” setzt man den linken Fuß kurz und energisch fort, selbst wenn man todt ist und durch irgend einen Unglücksfall den linken Fuß verloren hat. Was befohlen ist, wird gemacht.

„Die Herren Hauptleute!”

Im kurzen Rechtsgalopp sprengen sie auf den Kommandeur zu, pariren die Gäule drei Schritte vor ihm und senken salutirend ihren Degen.

„Meine Herren, ich möchte mir einige kurze Worte erlauben. Bitte, wollen die Herren bequem sitzen.

„Meine Herren, das Vordermann-Nehmen geht nicht, es geht absolut nicht, wie Sie sich ja selbst überzeugt haben, die Leute haben keine Ahnung, worauf es dabei ankommt. Meine Herren, das liegt an der mangelhaften Instruktion, die Leute sind nicht eingehend genug darüber belehrt worden. Sie scheinen das gar nicht zum Gegenstand des Unterrichts gemacht zu haben. Und doch, meine Herren Hauptleute, ist das Vordermann-Nehmen das A-B-C des Bataillons-Exerzierens, wenn das nicht einmal geht, wie sollen denn die anderen Sachen gehen. Meine Herren, ich muß Sie dringend ersuchen, hierauf mehr Gewicht zu legen, ich kann doch nicht meine ganze Zeit darauf verwenden und mich krank und heiser schreien, nur um die Leute auf Vordermann zu bringen. Meine Herren, wir werden das jetzt üben, ich bitte, die Kompagnien auseinanderzuziehen, und in einer halben Stunde bitte ich die beiden ältesten Herren, die Halbbataillone zu nehmen. Hinterher werde ich dann mit dem Exerzieren beginnen. Ich danke sehr, meine Herren.”

Der Herr Major steckt sein Schwert in die Scheide und die Häuptlinge jagen zu ihren Kompagnieen.

„Mit Sektionen rechts schwenkt marsch — gerade aus — ohne Tritt!”

„Was ist denn nun los, Herr Hauptmann?” fragt der Zugführer halblaut seinen Kompagniechef. „Geht es schon nach Hause?”

„Ach was, Unsinn, Torf wird gebacken, der Alte hat ja einen Vogel. Mit Sektionen links schwenkt marsch. Halt!”

„Vordermann — Vordermann — ich bitte die Herren, Vordermann zu nehmen. Der zweite Herr eine Idee nach links, noch eine achtel Idee, noch ein Atom, und nun der Dritte. So, und nun, meine Herren, nehmen Sie Ihre Flügelleute vor, und das sage ich Euch, Kerls, wenn Ihr Schafsköpfe Euch nicht auf Vordermann stellt, dann fahre ich heute Nachmittag, wenn auch kein Schnee mehr liegt, Schlitten, daß Ihr glauben sollt, Ihr wäret am Nordpol. Vordermann — wollen Sie Hammel von einem Rindsvieh wohl Vordermann nehmen; Feldwebel, schreiben Sie den Nachtwächter zum Nachexerziren auf, der Kerl glotzt mich an wie eine blödsinnige Kuh, die über den lenkbaren Luftballon nachdenkt.”

Endlich nach einer Viertelstunde steht die Kompagnie, eine hablbe Stunde Zeit ist zum Ueben gegeben, folglich wird die Sache nochmal gemacht, entweder weil es so schlecht oder weil es so schön ging.

„Wollen die Herren dann bitte die Halbbataillone zusammennehmen.”

„Zu Befehl, Herr Major.”

„Darf ich die Herren Zugführer bitten Vordermann zu nehmen, der zweite eine sechzehntel Note mehr rechts, so steht's. Und nun, meine Herren, nehmen Sie, bitte, die Flügelleute heran.”

Nach einer halben Stunde kommt der Adjutant angesprengt: „Die Kompagnien sollen zusammenrücken.”

„Abrücken wäre mir lieber,” denkt Jeder, aber was hilft's? Nach fünf Minuten steht das Bataillon in Tiefkolonne. Der Herr Major hat seinen Degen gezogen und hält vor den Zugführern.

„Vordermann, meine Herren, Vor—der—mann, aber meine Herren — so endlich — ja, meine Herren, das muß aber flinker gehen, so viel Zeit haben wir nicht. Und nun, meine Herren, nehmen Sie Ihre Flügelleute heran.”

Der Herr Major wendet sein Pferd und reitet weiter. „Aber hier in der zehnten Rotte ist ja wieder kein Vordermann — den Kerl soll doch der Teufel holen, Herr Hauptmann von der Vierten, kommen Sie doch einmal her. Herr Hauptmann, glauben Sie wohl, daß der Affe noch immer keinen Vordermann hat — ich sage, „noch immer nicht”, denn ich halte nun schon wenigstens eine halbe Stunde vor ihm — ich bitte, den Mann zu bestrafen.”

„Zu Befehl, Herr Major.”

So geht das weiter die ganze Front hinunter, und wenn der Himmel dem Herrn Major und dem Bataillon gnädig ist, steht die Karre endlich.

Dann beginnt das eigentliche Schulexerzieren und das Gefecht und endlich kommt der Befehl, nach Hause zu marschieren.

Alles Leid und Ungemach ist vergessen — aber es wird dafür gesorgt, daß Niemand beim Militär vor Freude stirbt.

„Der Herr Major bittet die Herren Hauptleute an die Tête.”

„Was will denn der nur wieder?” denkt Jeder, aber er reitet dahin, wohin er befohlen ist.

Nach einer Stunde ist man auf dem Kasernenhof, man hat einen Hunger, daß der Magen in den Stiefelschäften hängt — aber Gott sei Dank, nun ist's vorbei.

„Ich bitte die Herren Zugführer, Vordermann zu nehmen, der zweite Herr ein Atom nach rechts —”

„Aber Herr Hauptmann,” flüstert der Premier dem Vorgesetzten mit einer Stimme zu, die einen Felsen weich macht wie ein Pfund aufgelöster Butter, „Herr Hauptmann, ist es noch nicht vorbei?”

„Kinder, ich kann Euch nicht helfen,” tröstet dieser, „der Major hat's befohlen, Morgens vor dem Abmarsch und gleich nach dem Einrücken soll eine Viertelstunde Vordermann-Nehmen geübt werden.”

„Kerl, wollen Sie sich wohl links scheeren — bitte, wollen die Zugführer ihre Flügelleute herannehmen — sonst kann die Sache natürlich nicht stehen.”

Endlich — endlich — endlich kommt das Kommando: „Tretet — weg.”

Im Marsch-Marsch eilen die Leute davon, auch die Offiziere wollen nach Hause gehen, als plötzlich einer stehen bleibt und sich mit der rechten Hand kurz vor den Augen auf- und abfährt.

„Was haben Sie denn nur?” fragen die Kameraden.

„Ich weiß nicht,” stottert er, „mir ist so sonderbar — mir flimmert's vor den Augen &mdash, Alles ist schwarz —”

„I, wenn's weiter nichts ist,” trösten die Anderen, „das geht vorüber, das kommt nur vom Torfbacken. Passen Sie mal auf, wenn Sie das erst mal ein paar Jahre durchgemacht haben, gewöhnen Sie sich mit der Zeit daran.”

Die Kameraden gehen weiter — als sie sich umblicken, sehen sie, wie ihr Kamerad eine auf dem Straßendamm liegende Torfsode, die von einem Torfwagen herabgefallen ist, aufhebt und sie einem Torfbauer voller Ingrimm an den Kopf wirft.

Er ist beim „Torfbacken” verrückt geworden.

Freiherr von Schlicht.


Fußnoten:

(1) In der Fassung des „Kleinen Journals” ist vom „Torfbacken” die Rede, während in der Buchfassung dieser Begriff „Torfpacken” genannt wird. (zurück)

(2) In der Buchfassung: „. . . gepackt wird — ich weiß nur, wenn beim Militär „Torf gepackt” wird.” (zurück)

(3) In der Buchfassung: „acht Uhr dreißig Minuten” (zurück)


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