Offener Brief

des Freiherrn von Schlicht an den Herausgeber der „Deutschen Roman-Zeitung”,
Herrn Dr. Erich Janke.

in: „Deutsche Roman-Zeitung, 43. Jahrgg. 1906, 1. Band, Heft 3, Beiblatt, Seite 101-104.


Mein sehr verehrter und sehr lieber Herr Doktor!

„Wann werden Sie mir endlich den Aufsatz schreiben, wie Sie Schriftsteller wurden?” fragten Sie mich kürzlich bei unserem letzten Beisammensein, als wir in der Weinstube von Böttger am Askanischen Platz in Berlin saßen.

Schon Ihr Herr Großvater und Ihr Herr Vater haben dort wöchentlich einmal verkehrt, und Sie als Sohn haben auch diese Erbschaft übernommen. Und seitdem ich dort mit Ihnen zusammen den wundervollen, leichten Mosel trank, verstehe ich dieses Erbe zu würdigen und begreife, daß Sie die alte Familientradition, bei Böttger zu verkehren, aufrechterhalten.

„Wann werden Sie mir den Artikel schreiben?” fragten Sie mich wohl schon zum zehntenmal, und als ich abermals die Antwort schuldig blieb, winkten Sie dem jugendlichen Kellner Fritz. Ein geheimnisvolles Wort flüsterten Sie ihm zu, und gleich darauf stand eine Flasche 1893er Caseler vor uns.

Der Wein war nicht nur gut, er war sogar köstlich, und bei schönen Weinen geht es mir wie bei schönen Frauen: ich kann nicht standhaft bleiben. So ging ich denn in die Falle, die Sie mir gestellt hatten, aber hocherhobenen Glases bat ich: „Ihr wißt, ich habe Euch erst heute morgen einen langen Roman abgeliefert, den braven Grafen Udo Bodo, der im Herbst bei Euch erscheint und so ein gnädiges Geschick es will, einen großen Erfolg haben wird. Ihr wißt, wie ich monatelang täglich acht Stunden und mehr an dem Roman schrieb, nun laßt mich einmal acht Tage leben, ohne schreiben zu müssen.”

Der edle Wein hatte auch Sie milde gestimmt, mein lieber Herr Doktor, und so sagten Sie denn: „Schön, acht Tage lang lasse ich Euch Zeit, aber dann! Sonst Gnade Euch Gott!”

Und ich versprach, Ihnen nach Ablauf dieser Frist den Artikel zu schreiben.

Die acht Tage sind verflossen, aber glauben Sie nur nicht, daß ich trotz Ihrer Zusage eine Woche frei gehabt hätte! Es gibt auch noch andere Verleger als den Verlag Otto Janke, und schon am Abend nach meiner Rückkehr aus Berlin fand ich zu Hause einen Eilbrief vor, der mich zwang, mich wieder an die Arbeit zu machen, und so saß ich schon am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe wieder am Schreibtisch, und sitze auch heute noch da. Und doch ist es Sonntagmorgen, die Kirchenglocken läuten, hell leuchtet die Sonne mir ins Zimmer, leise rauschen die Blätter zu mir hinein, und alles lockt, hinauszugehen ins Freie. Aber es kann nicht sein, ich habe es Ihnen versprochen, und so muß ich auch heute den Sonntag zur Hilfe nehmen, um mit der Arbeit fertig zu werden, wie schon so oft in meinem Leben.

Doktor, sind Sie des Teufels? Eben tritt das Dienstmädchen in mein Zimmer und bringt mir einen Frachtbrief zur Unterschrift: Absender: Weinstube Böttger, Berlin. Inhalt der Sendung: fünfundzwanzig Flaschen des köstlichen Mosels, den wir kürzlich zusammen tranken. Und Sie sind der gütige Spender? Aber Herr Doktor!

 

Der Nebel steigt — es fällt das Laub
Schenk ein, den Wein, den holden,
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja, vergolden!

Ihre Güte beschämt mich tief, lieber Doktor, und an dem Tag, an dem Ihr Verlag den Grafen Udo Bodo herausbringt, will ich das erste Glas des schönen Weines auf Ihr Wohl leeren, und darauf, daß ,Graf Udo Bodo' uns Erfolg bringt. Jetzt in diesem Augenblick trinke ich nur ein Glas kalten Tees auf Ihr Wohl, denn Sie wissen ja, ohne Tee und ohne Zigarre kann ich nicht arbeiten, da fällt mir gar nichts ein. Ob es wirklich Schriftsteller gibt, die während der Arbeit Wein oder Bier trinken? Ich weiß es nicht, auf jeden Fall würde mich während des Schreibens jeder Alkohol geistig und körperlich töten.

Ich sehe, wie Sie ungeduldig werden, und ich höre Sie mir zurufen: „Was Sie mir da erzählen, ist ja alles ganz nett und ganz schön, und ich weiß ja, daß Sie scheußlich viel zu tun haben und daß Sie mir an einem Sonntag schreiben, ersehe ich ja später selbst aus dem Poststempel. Das alles will ich doch aber gar nicht wissen, sondern ich bat Sie, mir zu erzählen, wie Sie Schriftsteller wurden, natürlich nicht mir persönlich, denn mir genügt es vollständig, daß Sie schreiben und daß ich an Ihnen und mit Ihnen Geld verdiene. Aber ich gebe bekanntlich meine ,Roman-Zeitung' heraus, und diese hat viele tausend Abonnenten, und von diesen sind schon so oft Anfragen über Sie und Ihre schriftstellerische Tätigkeit gekommen, daß ich Sie nun ernstlich in deren Interesse bitten muß, zur Sache zu kommen. Also, wollen Sie nun oder wollen Sie nicht?”

Und ich gebe Ihnen zur Antwort: „Lieber Herr Doktor! Werden Sie doch nicht so ungeduldig. Wissen Sie denn überhaupt, ob ich so viel Interessantes zu erzählen habe, wissen Sie denn, ob es sich überhaupt lohnt, mich auch nur danach zu fragen, wie ich Schriftsteller wurde? Ich könnte Ihnen ja eine rührende Geschichte erzählen von den zwei Seelen, die nach berühmten Muster in meiner Brust kämpften, bis die Dichterseele den Sieg davontrug; ich könnte Ihnen erzählen, wie sich meinem Wunsche, Schriftsteller zu werden, die bekannten unüberwindlichen Hindernisse in den Weg stellten, wie aber ein gütiges Geschick mir doch zum Siege verhalf; ich könnte Ihnen berichten, wie wohlwollende Freunde meine ersten Arbeiten prüften und mir Mut zusprachen, weiter fortzufahren; ich könnte erzählen, wie ich in schlummerlosen Nächten mit mir rang und kämpfte, ob ich auch stark genug sei, den Kampf mit der prosaischen Muse (die mit der lyrischen nicht zu verwechseln ist) aufzunehmen. Das alles wäre vielleicht sehr schön und sehr rührend, aber es wäre alles nicht wahr. Denn ich bin aus einem sehr prosaischen Grunde Schriftsteller geworden, und wenn Sie den denn absolut wissen wollen, so sei er Ihnen hiermit gestanden: ich bin erblich belastet. Mein Vater, der verstorbene Graf Adalbert Baudissin, war Schriftsteller, ebenso meine Onkel Ulrich und Roderich, meine Tanten Thekla und Bella, vor allem aber mein Großonkel Wolf, der bekannte Shakespeare-Molière-Übersetzer. Unde ich bin das Patenkind dieses Großonkels, der mich bei der Taufe selbst in den Armen gehalten hat. Sein Patengeschenk bestand aus dem obligaten Silberzeug, das jetzt mein elfjähriger Junge im Gebrauch hat, jedoch ich glaube immer noch, daß es in Wirklichkeit aus einem Tintenfaß bestanden hat, das inzwischen verloren ging. Aber trotz dieser erblichen Belastung, die auf jeden Fall als strafmildernd in Betracht kommen muß, wäre ich trotzdem aller Wahrschein­lichkeit nach niemals unter die Schriftsteller gegangen, wenn ich mich nicht verheiratet hätte. Ich stand damals noch als junger Leutnant in Lübeck, kaum vierundzwanzig Jahre alt, und glaubte in meiner grenzenlosen Verliebtheit, von den Zinsen des Kommiß­vermögens, dem geringen Gehalt und der Liebe leben zu können. So heiratete ich denn lustig darauf los, aber schon auf der Hochzeitsreise in Brüssel ging mir das Geld zum erstenmal aus, und als wir dann nach Hamburg zurückkehrten, wohin ich inzwischen versetzt worden war, ging mir das Geld nur deshalb nicht mehr aus, weil keins mehr da war. Vertrauensvoll wandte ich mich an die ganze Verwandtschaft, in erster Linie natürlich an meine inzwischen auch leider verstorbene Schwiegermutter, die eine ebenso gute wie geistreiche und kluge Frau und als Schriftstellerin unter dem Namen E. Eschricht bekannt war. Und die alte Dame sagte zu mir: „Ewig kann ich Dir nicht helfen, mein Sohn, Du mußt arbeiten und Geld verdienen, Du mußt anfangen und schreiben.” Und die alte Dame bewies mir, daß ich schon deshalb ein mehr oder weniger großes Talent zum Schriftstellern besäße, weil mein Vater und meine Onkel, meine Tanten und mein Großonkel auch Talent gehabt hätten. Dieser Frauenlogik gegenüber war ich machtlos, mein Entschluß, Schriftsteller zu werden, stand fest, und schon am nächsten Nachmittag schrieb ich eine Geschichte: sie muß entsetzlich gewesen sein, denn ich habe meine Frau, die im Laufe der Jahre als Eva Gräfin Baudissin ja selbst eine sehr bekannte Schriftstellerin geworden ist, während unserer vierzehnjährigen Ehe noch nie so weinen sehen wie in dem Augenblick, als sie die Sache zu Ende gelesen hatte. Und ich war so stolz gewesen! Aber mein Mut kam schnell zurück: was verstehen denn die Frauen von Literatur, sagte ich mir und schickte die Arbeit in die Welt. Aber sie kam zurück, nicht nur einmal, nein, zehn-, zwanzig- und dreißigmal, bis sie dann endlich eines Tages — — doch einen Abnehmer fand? O nein, bis ich sie in den Papierkorb warf. Aber schon an demselben Abend schrieb ich eine zweite Geschichte, und es geschahen Zeichen und Wunder, und ich verkaufte sie an eine Lübecker Zeitung für zweihundert Pfennige (daß ich ganze zwei Mark Honorar erhielt, geniere ich mich auszusprechen). Selbstver­ständlich erhielt der Geldpostbote außer den fünf Pfennig Bestellgeld noch fünf Pfennig Trinkgeld, vierzig Pfennig hatte es mich gekostet, die Arbeit eingeschrieben fortzuschicken, zehn Pfennig mußte ich für Tinte, Feder, Papier und Kuvert rechnen — es blieb also ein Reingewinn von einhundert­undvierzig Pfennigen übrig. Selbstver­ständlich mußte ich meiner Schwiegermutter meinen ersten Erfolg telegraphisch melden, was weitere fünfzig Pfennig verschlang, und niemand kann es mir verdenken, daß ich das freudige Ereignis mit einer Flasche Bier feierte, die nicht nur zehn, sondern sogar zwölf Pfennige kostete. Der ganze Reinverdienst stellte sich also schließlich auf achtundsiebzig Pfennige. Viel war es ja gerade nicht, aber der Anfang war gemacht und mit der Zeit mußten die Einnahmen ja steigen. Und sie stiegen nicht nur, sie stiegen sogar glänzend, schon für die nächste Arbeit erhielt ich ein Honorar von drei Mark. Auf dieser schwindelnden Höhe hielt ich mich längere Zeit, bis ich dann eines Tages ein Honorar von fünfzehn Mark erhielt. Von dem Augenblick an sah ich eine goldige Zukunft vor uns, aber der Rückschlag blieb nicht aus. Ich schrieb damals unter dem Namen Graf Günther Rosenhagen (eine Nebenlinie der Baudissins führte früher diesen Namen) und ich schrieb viel und ich schrieb fleißig. Von morgens um sieben bis nachmittags um fünf tat ich meinen Dienst als Rekrutenoffizier, um halb sechs aß ich Mittag, und von halb sieben an bis in die Nacht hinein schrieb ich Geschichten, tagaus, tagein, jahraus, jahrein. Aber es wurde nichts. Wohl wurde ich hin und wieder eine meiner Arbeiten los, aber von einem wirklichen Erfolg in finanzieller oder in künstlerischer Hinsicht war nicht die Rede. Und doch schrieb ich unermüdlich und beschrieb in Form von Humoresken alles, was es nur gibt: die neue Köchin und den neuen Hut, die verschlossene Haustür und die erste Gesellschaft. Aber wie Lenau sagt: es war halt nichts. So geht's nicht weiter, sagte ich mir eines Tages, entweder wirst du was, oder du wirst nichts, und wenn du nichts wirst, dann magst du zusehen, was aus dir wird. Und nach dieser philosophischen Betrachtung setzte ich mich hin und schrieb meine erste militärische Plauderei. Militärhumoresken hatte ich früher schon genug geschrieben, ohne daß sie irgendwelchen Beifall gefunden hätten, nun versuchte ich es auf einem anderen Gebiet. Ich hatte an dem Tage gerade des Morgens bei dem Exerzieren in meiner Eigenschaft als Zugführer nach Ansicht meines Hauptmanns nichts wie Dummheiten gemacht und hatte mir Grobheiten sagen lassen müssen, die nicht schlecht waren. Wie so oft, war der Augenblick der Vater des Gedankens. Ich schrieb ein Feuilleton, das mit den Worten beginnt: es gibt zweierlei Zugführer, solche, die anderen etwas pfeifen, und solche, denen etwas gepfiffen wird. Die Arbeit war, wie ich als Offizier selbst zugeben mußte, nicht nur humoristisch, sondern auch etwas stark satirisch gehalten, und mein Pseudonym Graf Günther Rosenhagen war, wenn auch nicht dem Publikum, so doch einigen meiner Kameraden bekannt. Es galt also mit Rücksicht auf die Tendenz der Arbeit, wenn ich mich nicht gleich verraten wollte, ein neues Pseudonym zu finden. Ich las die Sache nochmals durch, sie war ganz einfach und schlicht geschrieben, ohne jede Effekthascherei, ohne jede gewaltsame Pointe, und aus der Schlichtheit des Feuilletons heraus entstand plötzlich mein Pseudonym Freiherr von Schlicht, das ich von dem Tage an bis zu dieser Stunde beibehalten habe. „Der Zugführer” erschien schon nach wenigen Tagen im „Kleinen Journal” in Berlin, und dem ersten Feuilleton dort folgte ein zweites: „Die Kompagnie-Besichtigung”. Die schlug durch, der Freiherr von Schlicht war mit einem Male in Berlin bekannt und populär, jahrelang habe ich für das „Kleine Journal” das Montagsfeuilleton geschrieben, und in hunderttausenden von Exemplaren sind die Sachen gekauft und gelesen worden. Der Freiherr von Schlicht wurde täglich bekannter, alle Zeitungen brachten von mir Beiträge, und da geschah es, mein lieber Herr Doktor, daß Ihr verstorbener Herr Vater mit der Aufforderung an mich herantrat, den seit Winterfelds Tod vergessenen humoristischen Militärroman wieder aufleben zu lassen. „Wollen Sie es versuchen oder nicht?” fragte mich Ihr Herr Vater. „Nur Mut, Gefreiter Lederstrumpf” (er nannte mich nie anders). ich versprach, mein möglichstes zu tun, fuhr nach meiner Vaterstadt Schleswig, in der ich damals in Garnison stand, zurück und setzte mich an meinen Schreibtisch. Ich hatte keine Ahnung, wie man einen Roman schreibt, nicht den leisesten Schimmer, ich wußte nichts von Handlung, Aufbau, Komposition, Verwickelung, Charakterzeichnung, ich wußte überhaupt gar nichts. Und mit diesen reichen Kenntnissen ausgestattet, saß ich drei Tage an meinem Schreibtisch und dachte nach. Aber mir fiel nichts ein. Da kam ich zu der Erkenntnis, daß mir auch in Zukunft nichts einfallen würde, und so sagte ich mir denn: schreib nur darauflos, schreib wenigstens irgend etwas, ausstreichen kannst du es ja immer wieder. Und ich schrieb darauflos, ohne zu wissen was, und eines Tages bekam ich einen gewaltigen Schrecken, denn da war plötzlich der ganze Roman fertig. Unter dem Titel: „Ein Kampf” erschien er in Ihrer Roman-Zeitung und so ganz schlecht muß er doch nicht gewesen sein, denn Ihr Herr Vater schrieb mir, er hätte beim Lesen furchtbar gelacht, und ähnlich schrieben mir später viele liebenswürdige Leser. Besser als ich in diesem Augenblick wissen Sie ja selbst, in wieviel starken Auflagen das Buch später verkauft wurde. Soll ich Ihnen verraten, in wie unglaublich kurzer Zeit das Buch entstand? Nein, ich sage es Ihnen lieber doch nicht, denn sonst ziehen Sie mir noch nachträglich tausend Mark von dem damals erhaltenen Honorar ab oder belasten mein geehrtes Konto mit dieser Summe. Und dafür danke ich. Dem Roman „Ein Kampf” sind im Laufe der Jahre viele andere Romane bei Ihnen gefolgt: „Leutnant Krafft”, „Pensionopolis”, in diesem Jahre „Der Manövergast” — wer zählt die Völker, kennt die Namen, die gastlich bei Janke zusammenkamen? Damals, kurz nachdem ich als Offizier meinen Abschied genommen hatte, um ganz der Schriftstellerei zu leben, ich meine: damals ahnten weder der Verlag noch ich, in wie nahe und vor allen Dingen auch in wie freundschaftliche Beziehungen wir zueinander treten würden. Treu haben wir die ganze Zeit zusammengehalten, nie hat auch nur die leiseste Differenz unser Zusammenarbeiten getrübt, und meine Bücher erfreuen sich heute einer größeren Gunst beim Publikum als je. So hoffe ich von ganzem Herzen, daß auch das Buch, dessen Herausgabe Sie jetzt planen, unser lieber Freund „Graf Udo Bodo” mir neue Anhänger schaffen wird, mir und Ihnen.

So bin ich in großen Sprüngen das geworden, was ich heute bin und noch lange zu bleiben hoffe. In Wirklichkeit ging's natürlich nicht ganz so schnell, wie ich es Ihnen oben erzählte. Vierzehn Jahre sitze ich nun bald am Schreibtisch und auch ich habe die Wahrheit des Wortes kennen gelernt: vor den Erfolg setzen die unsterblichen Götter den Schweiß. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht meine sechs Stunden und mehr am Schreibtisch sitze, denn von allen Seiten kommen Aufträge und Bitten um Arbeiten, und die vielen Korrekturen, die Erledigung der Korrespondenz und so vieles andere lassen mir kaum Zeit, einmal auf Reisen zu gehen. Na, vorläufig bin ich ja noch jung und das Arbeiten ist für mich noch ein Vergnügen. Aber wenn es einmal nicht mehr geht, Doktor, wenn der Mann mit dem goldenen Gehirn, wie Daudet einen jeden Künstler nennt, sich einmal ausgeschrieben hat, wenn er alt und gebrechlich geworden ist — nicht wahr, Doktor, dann stellen Sie mich à la suite Ihres Verlages und zahlen mir eine Altersrente, die es mir endlich ermöglicht, mir ein Automobil anzuschaffen. Über den Punkt sprechen wir noch einmal ausführlich, sobald wir in Berlin wieder bei unserem gemeinsmaen Freunde Böttger am Askanischen Platze sitzen.

Möchte dieser Tag in nicht zu weiter Ferne liegen. —

In dieser Hoffnung grüße ich Sie herzlichst und bin und bleibe stets

Ihr getreuer                    
Freiherr von Schlicht,    
Wolf Graf von Baudissin. 


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© Karlheinz Everts