Nordlandsreise.

Von Freiherrn v. Schlicht.
in: „Grazer Tagblatt” vom 17.9.1898


Capitän Bade, der bekannte Polarfahrer, ist auf der Rückreise von seiner diesjährigen Expedition nach Spitzbergen wohlbehalten in Tromsoe angekommen. Freiherr v. Schlicht, der die Fahrt mitgemacht hat, schreibt über sie: „Von der Recherche-Bay führte uns unser Weg durch den gewaltigen Eis-Fjord in die Magdalenenbay — nur hier sieht man die seltsame Erscheinung, daß der Schnee auf den Bergen in rother und grüner Farbe leuchtet, hervorgerufen wird dies Wunder durch eine Anzahl Algen, die in dem Schnee wuchern. Am 13. August, nachmittags, ankerten wir vor Virgohaven, der Ballonstation Andrées, und ein Gefühl der Trauer und Wehmuth beschlich uns, als wir einen Trümmerhaufen von Brettern und Balken vorfanden — die einzigen Spuren hier, die an Andrée erinnern. Am 14., früh, hatten wir angesichts der gewaltigen Gletscher und Eisberge einen Gottesdienst an Bord, dann wurde Smeerenberg besichtigt. Im 17. Jahrhundert war hier bekanntlich der Hauptsitz der Walfischfänger, von denen hier achtzehntausend gelebt haben sollen — jede Nation hatte ihr eigenes Reich, daran erinnern die Namen Dänen-Insel, Amsterdam-Insel u. s. w. Man trifft heute noch zahllose menschliche Gerippe, die sich in diesem wunderbaren Klima merkwürdig gut erhalten haben — nicht einmal die einfachen Holzkisten, in denen die Toten bestattet wurden, sind vermodert. Zahllos sind auch die gewaltigen Knochen der Walfische, die überall umherliegen — hier findet man auch noch kreisförmig gebaute Mauerüberreste, in denen früher gewaltige Thrankessel standen. Während unserer Wanderung sahen wir auf offenem Meere den ersten schwimmenden Eisblock, dem wir uns bald mit unserer Dampfpinasse näherten. Der Eisberg, der sich von einem Gletscher losgelöst hatte, war wohl zwanzig Meter hoch und leuchtete im herrlichsten Blau, unablässig spülten die Wogen an den Berg, in dessen Innern es beständig krachte und bebte. Am Morgen des 15. passierten wir die Motta-Insel. Nachdem unsere Jäger dort gejagt hatten, gieng es weiter, dem ewigen Eis entgegen. Von weitem schon spürte man seine Nähe, das Eis lag sozusagen ,in der Luft'. Die Temperatur sank unter Null und um 3 Uhr wurde das ewige Eis sichtbar. Alles stürzte an Deck, um sich ganz dem großartigen, erhebenden Anblicke hinzugeben. Um 5 Uhr nachmittags war bei 81 Grad 5 Minuten unser nördlichster Punkt erreicht, die Eismassen, die uns umgaben, verboten ein weiteres Vordringen. Nun gieng es auf die Eisschollen, wo getanzt und geschneeballt wurde. Noch an demselben Abende traten wir die Rückreise an. An Bord ist alles wohl und alle sind des höchsten Lobes voll über die Art und Weise, in der Capitän Bade, der beste Kenner Spitzbergens, seinen Begleitern auch diesmal die großartigen Schönheiten des Wunderlandes Spitzbergen zeigte.”


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