Aus dem Manövertagebuch eines Lieutenants.

Von Freiherr von Schlicht.
in: „Das kleine Journal”, Nr. 191 vom 15.Juli 1895 und
in: „Aus der Schule geplaudert”


O. U. Hohenhalchen, 9.9.

Wer kennt nicht den berühmten Brief, den der Einjährig-Freiwillige Meyer an seinen Vater schrieb und der mit den Worten beginnt: „Die Bummelei hat ihren Höhepunkt erreicht — das Regimentsexerzieren hat begonnen.”. So war es auch in diesem Jahr — aber auch das Bummeln greift den Körper an, das habe ich an mir selbst erfahren, als ich einmal in Berlin auf „Tipp-Tipp-Kommando” war, wie man die Militär-Telegraphen-Schule nennt. Nun ist aber beides vorbei, das Bummeln und das Regiments­exerzieren. Die Brigade-Manöver gegen den markirten Feind haben begonnen und schon der heutige erste Tag bot einige sehr interessante Momente. Es galt die Vertheidigungs­stellung, die der Feind auf die Nachricht von unserem Vormarsch hin eingenommen hatte, genau zu rekognosziren und festzustellen, wo der rechte und linke Flügel des Gegners stände. Kavallerie stand uns nicht zur Verfügung, so machten sich denn unsere Infanterie­patrouillen beritten, d. h. sie setzten sich auf ihre Bycicles, legten sich ordentlich vornüber und jagten davon, daß die Chausseesteine zitterten. In unverhältnißmäßig kurzer Zeit kamen sie mit brillanten Meldungen zurück, und bei der Kritik konnte der Herr General nicht genug Worte des Lobes für diese Leistung finden —, hätte er gewußt, daß die Radler nur wenige Kilometer gefahren waren und sich ihre Weisheit bei einigen vorüberfahrenden Bauern geholt hatten, so hätte sein Urtheil wahrscheinlich anders gelautet. Aber wie es Vorgesetzte giebt, die es verstehen, trotz ihrer Untüchtigkeit bei den Untergebenen den Glauben an ihre Unfehlbarkeit zu erregen, so giebt es auch Untergebene, die ihren Vorgesetzten ein X für ein U machen —, ein Vergleich und eine Redensart, die beide weder geistreich noch neu sind. Dies nur nebenbei, kehren wir auf das Manöverfeld zurück.

Das Hauptgefecht entwickelte sich auf dem linken Flügel, wo wir einen Wald besetzt hatten und den Feind, der immer noch nicht weichen wollte, obgleich wir Alle einen mordsmäßigen Hunger hatten, unter ein höllisches Feuer nahmen. Der Kampf wogte bis 1 Uhr, wir waren schon Morgens um fünf Uhr auf dem Sammelplatz gewesen und was das heißt, weiß nur, wer selbst einmal Soldat gewesen ist. Wenn in dem Befehl gesagt wird, die Brigade steht um 5 Uhr auf dem und dem Platz, so müssen die Regimenter wenigstens eine Viertelstunde eher eintreffen. Nehmen wir den denkbar günstigsten Fall, daß die ganze Brigade in einem großen Dorf untergebracht ist und Morgens um 5 Uhr sich in der Mitte des Dorfes sammeln soll. Dann steht das Regiment 4.45, die Bataillone um 4.30, die Kompagnien um 4 Uhr, die Züge um 3.45, die Korporalschaften um 3 Uhr. Wenn aber eine Korporalschaft um 3 Uhr fix und fertig sein soll, so muß sie spätestens um 1½ Uhr aufstehen. So kann es kommen, daß ein Soldat, der bis zwei Uhr Urlaub hat und schon um 1½ Uhr geweckt wird, aufsteht, bevor er zu Bett gegangen ist. Und das ist nicht gut, denn der Schlaf vor und nach Mitternacht ist der gesundeste.

Deshalb will auch ich mich jetzt schlafen legen.


Ebenda, 10.9. 6 U. V.

In dem Augenblick, wo ich das Haus verlassen will, um zum Dienst zu gehen, kommt eine Ordonnanz auf mich zu. Unwillkürlich bekam ich einen heidenmäßigen Schreck — was zwar nach dem fünften Kriegsartikel, die, wie die lakonischen Gesetze oder wie die Dinger sonst heißen, mit Blut geschrieben sind, bei Todesstrafe verboten ist. Aber ein weiser Mann hat einmal gesagt: Vorgesetzte sind meist unangenehm, Untergebene, wenn sie einen Helm aufhaben, sind stets schrecklich, denn dann bringen sie nur Unangenehmes. Der weise Mann hat Recht, obgleich er heute Morgen Unrecht hatte, denn die Ordonnanz brachte mir die erfreuliche Meldung, daß die Brigade heute eine Stunde später als ursprünglich befohlen, anträte. Das Diner bei dem Majoratsherrn scheint also doch für den Herrn General etwas schwer verdaulich gewesen zu sein.

Ich benutze die unfreiwillige Muße einer Stunde, um noch einiges von gestern nachzutragen.

Bei der Kritik ließ sich der Herr General eingehend über die von uns vorgenommene Besetzung des Waldes aus, mit der er sich nicht ganz einverstanden erklärte. Er meinte, man dürfe sich bei der Vertheidigung eines Waldes nie in denselben hineinlegen, sondern sich stets etwa 100 Mtr. vor demselben hinlegen, um der feindlichen Artillerie das Einschießen auf unsere eigenen Truppen zu erschweren. Aus den Kriegen 66 und 70/71 erzählte der Herr General viele Beispiele, aus denen hervorgeht, welche entsetzlichen Verwüstungen die im Walde einschlagenden Granaten dort hervorgerufen haben, wie das Sausen, Zischen und Platzen der Hohlgeschosse einen solchen Höllenlärm verursachte, daß keine Kommandos mehr zu verstehen sind; er sprach von den grausigen Wunden, die die auf die Soldaten herabfallenden äste und Zweige erzeugten und von der Lockerung der Disziplin, die unwillkürlich in diesem Durcheinander entstand. Er erinnerte an die Kämpfe bei Orleans, wo die Truppen in den Waldgefechten so ineinander geworfen wurden, daß ein ganzer Ruhetag nöthig war, um die einzelnen Regimenter und Brigaden wieder zu sammeln. Der General sprach mit Wärme und Begeisterung und andächtig lauschte ich seinen Worten, obgleich ich sonst bei der Kritik eigentlich nie zuzuhören pflege. Aber der gestrige Tag ist für ich in mehr als einer Hinsicht lehrreich gewesen. Ich weiß, unser General hat viele Feinde und man erzählt sich, daß er nach dem Manöver gegangen würde — ich glaube es nicht, seine Ansichten sind zu klar und bestimmt. Ich glaube ihm und an ihn, nie wieder werde ich in den Wald gehen, d. h. natürlich nur dann nicht, wenn ich als Soldat ihn vertheidigen soll.

Mein Bursche erschien in der Thür, um mich daran zu erinnern, daß ich in den königlichen Dienst muß. Hätte ich nicht meine schöne Stimme bei dem ewigen Kneipenleben verloren, ich würde mit meines Basses Grundgewalt singen: „Auf in den Kampf, Torero.”

Ich gehe heute gerne zum Dienst, denn ich hoffe, auch heute viel zu lernen, unser General ist ein bedeutender Mann.


Ebenda 6 Uhr Abends.

Unser General ist ein Esel, wie konnte ich nur gestern so thöricht sein, dem Urtheil der Menge nicht zu glauben.

Mein Hauptmann, als der älteste Kompagniechef des Bataillons, vertrat heute den Major, der in seiner Eigenschaft als Mitglied der Flurbeschädigungs–Abschätzungs­kommission dienstlich beschäftigt war, und ich als einziger und daher auch ältester Offizier der Kompagnie führte dieselbe. Natürlich zu Fuß: denn wenn ich mich beritten gemacht hätte, wären dem Staat dadurch 7 M. 50 Pf. Unkosten entstanden, und um eine erregte Debatte deswegen im Reichstag zu verhüten, ging ich per pedes apostolorum.

Nachdem wir einige Kilometer in der Marschkolonne einhergezogen waren, bekam ich den Auftrag, „Artilleriebedeckung zu spielen”, d.h. aufzupassen, daß die Batterien nicht plötzlich von Infanterie oder Kavallerie angegriffen und außer Gefecht gesetzt würden. Es ist dies die schwierigste Aufgabe, die einem Soldaten gestellt werden kann, denn kaum hat man mit seiner Kompagnie die Höhe erreicht, auf der die Artillerie sechse lang in sausender Karriere aufgefahren ist, so sieht man die seiner Bewachung anvertrauten Gespanne schon wieder im Galopp davonfahren und sich eine neue Position wählen. Dem biedern Infanteristen bleibt natürlich nichts Anderes übrig, als wieder hinterherzukeuchen, und das geht so lange, bis man einen Hitzschlag bekommt oder bis der Leitende ein menschliches Rühren verspürt und „das Ganze Halt” blasen läßt.

Ich weiß nicht, welcher gütige Fee ich es zu verdanken habe, daß es mir heute Morgen gegen Ende des Gefechts doch für wenige Minuten gelang, die Artillerie während ihres Feuers zu schützen. Ich hatte mir zu diesem Zweck ein kleines Wäldchen ausgesucht, von wo aus wir ein vorzügliches Schußfeld hatten, und mich eingedenk der Worte unseres Generals nicht in den Wald hineingelegt, sondern hatte meine Stellung 100 Meter vor demselben gewählt.

Bei der Kritik forderte mich der General auf, anzugeben, welche Anordnungen ich zum Schutze der mir anvertrauten Artillerie getroffen hätte. In knappen, kurzen Worten kam ich diesem Befehl nach und freute mich auf das Lob, das ich ernten würde.

„Ich kann mich mit Ihren Maßnahmen nicht einverstanden erklären,” begann der General. „Wenngleich ich, wie Sie es gestern von mir gehört haben, der Ansicht bin, daß man bei der Vertheidigung eines Waldes vor demselben bleiben soll, so gilt diese meine Meinung natürlich nur im Allgemeinen. Natürlich kommen Ausnahmen vor, und Grund zu einer solchen lag thatsächlich vor. Wenn Sie im Geiste den heutigen Wald mit dem gestrigen vergleichen, so werden Sie mir zugeben müssen, Herr Lieutenant, daß dieselben von grundverschiedenem Aussehen sind.”

Der General sah mich erwartungsvoll an, ich theilte seine Ansicht zwar nicht, dennoch sagte ich: „Zu Befehl, Herr General.” Was soll man anderes machen? Der Vorgesetzte hat das höchste Gehalt, folglich hat er immer Recht.

„Sie werden mir ferner zugeben,” fuhr der General fort, „daß es ein großer Unterschied ist, ob ich einen Wald mit einer größeren Abtheilung oder nur mit einer Kompagnie vertheidigen soll. Bei einer kleinen Abtheilung hält man sich lieber im Walde verborgen, weil da der einzelne Mann Deckung hinter den Bäumen findet — was natürlich nicht ausschließt, daß ausnahmsweise auch einmal eine kleine Abtheilung sich ihre Position vor dem Walde wählt. Aber in der Lage, in der Sie sich heute Morgen befanden, wäre ich für meine Person im Walde geblieben, Herr Lieutenant, und ich glaube, das wäre das Richtigere gewesen.”

„Zu Befehl, Herr General,” antwortete ich und schwieg dann.

Eine tiefe Niedergeschlagenheit befiel mich, ich hatte gehofft, Alles gut gemacht zu haben, nun war es wieder falsch. Was soll man denn nun thun, in den Wald gehen oder draußen bleiben? Der General sagt bald so, bald so, er scheint sich selbst nicht einig zu sein, und das bestärkt mich in dem zu Anfang dieses Blattes über seine Person abgegebenen Urtheil.

Ich bin traurig, ich wollte heute Morgen viel lernen, um dereinst ein tüchtiger Soldat zu werden — nun habe ich gar nichts gelernt, doch etwas: das Laufen. Ich habe mich auf der Jagd hinter den Batterien zum Renngaul ausgebildet und wenn ich dereinst als Lieutenant nicht mehr brauchbar bin, finde ich vielleicht in Carlshorst oder in Hoppegarten passende Verwendung und ernte dort die Lorbeeren, die mir hier versagt blieben.

Wenn ich auch keine Wellgunde bin, kann ich vielleicht ein „Wellgundchen” werden.


O. U. Xüschen, 11.9.

Wir haben unser Quartier gewechselt, und das ist auch ganz gut. Zwar war der Wirthin Töchterlein ein recht niedlicher kleiner Käfer, aber selbst das schönste Mädchen verliert an Liebreiz, wenn sie dem hungrigen Krieger jeden Mittag den Manöveradler(1) aufträgt. O, daß doch die Hühner jedes Jahr während der Manöverzeit ausstürben. Jetzt liegen wir auf Xüschen, einem altadligen Rittergut und Sektquartier comme il faut. Ich fühle, daß ich wieder anfange, Mensch zu werden.

Die zweitägigen Brigade-Manöver waren gestern beendet, heute Morgen begannen die zweitägigen Divisionsmanöver. Es ist ein Glück, daß endlich ein Vorgesetzter die Leitung übernimmt, der da weiß, was er will, und der über ein großes Wissen und Können verfügt.

Der heutige Gefechtstag bot für einen Soldaten wenig Neues, es ist immer dasselbe. Zuerst erfolgt der Anmarsch, dann eröffnen die Geschütze das Feuer, die Infanterie greift allmälig in das Gefecht ein und die Kavallerie versucht, so gut es geht, zu beweisen, daß die Zeit der Attacken doch noch nicht vorüber ist. Es gelingt ihr fast nie, an die Infanterie heranzukommen — aber wenn sie auf Befehl des Schiedsrichters „Kehrt marsch” machen muß, denkt sie: In Wirklichkeit wäre die Attacke doch gelungen, und als Entschädigung für das bei der Kritik ausbleibende Lob nimmt sie dankend den jubelnden Beifall der zahlreichen Zuschauer entgegen, die sich an dem prächtigen militärischen Bilde erfreuen und deren Begeisterung keine Grenze kennt, wenn ein Husar, eingedenk des Wortes „Husaren reiten wie der Wind, doch nur wenn sie zu Pferde sind” sich von seinem Klepper trennt und keuchend zu Fuß über den Sturzacker einherstolpert.

Die heutige Kritik war sehr lehrreich, es wurde endgültig die Frage der Waldvertheidigung beantwortet. Ein Hauptmann war, eingedenk der gestrigen Worte unseres Generals, mit seiner Kompagnie im Walde geblieben. Auch er erntete damit wenig Lob, wenngleich der Brigadekommandeur ihm zustimmte. Se. Exzellenz der Herr Divisions­kommandeur entschieden mit aller Bestimmtheit dahin, daß, wenigstens solange er die Ehre habe, die Division zu führen, bei einem Waldgefecht von dem Vertheidiger der um jeden Wald herumlaufende Graben oder Knick besetzt werden sollte. Ich athmete auf, jetzt weiß man doch endlich, wie man handeln soll.

Es war interesant zu beobachten, wie unser Brigade–Kommandeur, der gestern noch, wenigstens in seinen Augen, unfehlbar gewesen war, auf einen leisen Wunsch seines Vorgesetzten hin, seine Ansicht änderte. Man merkte es ihm an, daß es ihm nicht ganz leicht wurde, aber was soll er machen? Seine Aktien stehen, wie ich schon gestern sagte, nicht besonders — wer kann es ihm verdenken, daß er den Wunsch hat, so lange wie nur irgend möglich die schöne Uniform zu tragen und das hohe Gehalt zu beziehen?

Es wird Zeit, daß ich Toilette mache, in einer halben Stunde wird zu Tisch gegangen.


Biwak 12.9.

Das gestrige Diner war gut, das muß der Hausfrau selbst der Neid lassen, tadellos zusammengestellt und tadellos zubereitet, der Sekt floß in Strömen, Gott sei Dank nicht in das Meer, sondern in unsere durstigen Kehlen. Wie schön es war, das empfinde ich erst jetzt, wo wir im Biwak liegen. Heute Morgen in aller Frühe nahmen wir Abschied von dem gastlichen Haus, hoffentlich nicht für immer.

Die Divisions­manöver waren mit dem Gefecht am heutigen Tage beendet, nur noch ein Tag Korpsmanöver, dann geht es wieder zurück in die Garnison.

Um mich herum herrscht regstes Biwakleben: es wird gekocht und geputzt, geschlafen und gegessen, gesungen und von den Regimentskapellen musizirt. Ein Theil der Leute ist damit beschäftigt, die Lagerstätte und die Zelte für die Nacht aufzuschlagen, während die Mannschaften, die übermorgen zur Entlassung kommen, in einer stillen Ecke Parole abhalten, damit die Aufführungen, die sie einem alten Brauch gemäß, am letzten Biwakabend vorführen, ordentlich „klappen”.

Es wird mir schwer, bei diesem Lärm und Skandal Zeit und Ruhe zum Schreiben zu finden; aber es muß sein, denn ich habe mir fest vorgenommen, während dieses Manövers täglich einige Notizen in mein Tagebuch zu machen. Und konsequent muß der Mensch sein .

Leider giebt es auch inkonsequente Menschen. Dazu gehört auch Se. Exzellenz der Herr Divisions–Kommandeur, der nach meiner Meinung auch nicht klüger ist, als der Brigade–Kommandeur.

Am heutigen Morgen hatte ein Bataillon den Auftrag, den in der linken Flanke gelegenen Wald unter allen Umständen gegen einen feindlichen Angriff zu halten — aber die Uebermacht des Gegners war zu groß, und das Bataillon mußte zurückgehen.

Bei der Kritik bemerkten Se. Exzellenz, der Sieg des Feindes wäre nur dem Umstande zuzuschreiben, daß der Herr Major den Waldrand besetzt gehalten hätte. Bevor man sich mit seinen Leuten in einen Graben oder hinter einen Knick hinlegte, müßte man sich die Vertheidigungslinie natürlich erst daraufhin ansehen, ob sie auch allen Anforderungen entspreche. Dies wäre hier nicht der Fall gewesen.

Mir brummt der Kopf: Bald soll man vor dem Wald bleiben, bald soll man in denselben hineingehen, bald soll man den Rand besetzen, bald soll man ihn nicht besetzen. Was soll man denn nun eigentlich?

Herz, mein Herz, warum so unruhig? Morgen kommt Se. Exzellenz der kommandirende Herr General, der wird endlich Klarheit in die Sache bringen.

Ein eigenthümlicher Duft strömt mir entgegen: schon kann ich die Mischung erkennen, Arak, Rothwein, Sekt und Zucker. Der Biwakspunsch ist angesetzt — da wird es Zeit, daß ich schließe.

Die Bowle winkt, die Erde hat mich wieder.


Im Eisenbahnkupee 13.9.

Noch wenige Stunden, dann ist die theure Heimath wieder erreicht. Und ein Glück ist es, denn es wird hohe Zeit, daß ich mich schlafen lege, denn dieses letzten Tages Bowlentopf war groß!

Der heutige letzte Manövertag endete mit einem gegenseitigen Vorrücken beider Parteien: es muß für die Schlachtenbummler ein hübsches Bild gewesen sein.

Der kommandirende Herr General sprach sich bei der Kritik sehr lobend über die Haltung der Mannschaften aus; weniger lobend über das, was die Führer ihm gezeigt. Namentlich konnte er sich mit dem Waldgefecht nicht einverstanden erklären; nach seiner Meinung liegt die Vertheidigungslinie vorwärts seitwärts.

Je mehr ich über die Waldgefechte, an denen unser Manöver so reich war, nachdenke, desto dummer komme ich mir vor. Mir ist von allen verschiedenen Ansichten, die ich gehört und die in meinem Kopf herumgehen, ganz schwindlig zu Muthe. Zu der Ansicht bin ich gekommen: man mag machen, was man will, falsch ist es immer. Und deshalb glaube ich, es ist das Richtigte, wenn man einen Wald vertheidigen soll, daß man sich weder vorne, noch vorne seitwärts, noch an den Rand, noch in den Wald hinein legt. Das Beste ist: man geht in den Wald hinein, da, wo er am tiefsten ist, sucht sich als Führer einen hohen Baum aus und hängt sich auf. Dann hat die liebe Seele vor allen Waldgefechten Ruh.

Freiherr von Schlicht.


Fußnote:

(1) Siehe hierzu auch die Erzählung „Der Manöveradler” (zurück)


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