Der Manövergast.

Humoreske von Freiherrn von Schlicht.
in: „Solinger Zeitung” vom 2.9.1899,
in: „Kieler Zeitung” vom 3.9.1899,
in: „Dortmunder Zeitung” vom 3. und 4.9.1899,
in: „Hagener Zeitung”, Beilage Unterhaltungsblatt, vom 5.9.1899,
in: „Gladbacher Volkszeitung”, Zweites Blatt, vom 9.9.1899,
in: „Plöner Wochenblatt” vom 2.9.1902,
in: „Exzellenz lassen bitten” und
in: „Seine Hoheit”


In der denkbar schlechtesten Laune kam der Hauptmann von Rohrbach am Mittag aus dem Dienst nach Haus. Er warf die Etagenthür hinter sich zu, daß es laut krachte und mit einer Stimme, die nichts Gutes verkündete, rief er seinen Bursche: „Friedrich — Friedrich — zum Donnerwetter noch einmal, wo steckt der Lümmel denn schon wieder?”

Aus dem Wohnzimmer trat eine mittelgroße, schlanke, zierliche und graziöse Gestalt auf den Korridor: „Sei nicht böse, Vater, ich habe den Burschen soeben zur Stadt geschickt, er muß aber jeden Augenblick zurückkommem.”

Der Herr Hauptmann knurrte noch allerlei vor sich hin, aber seine schlechte Laune hielt seinem Kinde gegenüber nicht stand. Er liebte seine Tochter Claire, sein einziges Kind, die ihm seit dem vor einigen Jahren erfolgten Tod seiner Frau Alles war, leidenschaftlich — ihre Schönheit, ihre Frische und Lebhaftigkeit verscheuchten immer gar bald seine Sorgen.

„Was hat es denn heute Morgen gegeben, Vater?” fragte sie, als sie sich am Frühstückstisch gegenüber saßen, „hat der Major Dich geärgert oder ist der Oberst Dir wieder einmal deutlich geworden, weil einer Deiner Leute einen schlechten Griff gemacht hat?”

Er lachte kurz auf: „Wenn es weiter Nichts wäre,” sagte er, „würde ich mich schon nicht ärgern, Du weißt, durch solche Dinge lasse ich mir den Appetit nicht verderben. Mir ist etwas viel Schlimmeres passirt, ich habe auf meine Kompagnie einen Manövergast bekommen.”

„Das verstehe ich nicht,” erwiderte sie, „was ist ein Manövergast?”

„Du willst ein Soldatenkind sein?” meinte der Vater, „und weißt nicht einmal, was ein Manövergast ist? So laß es Dir in wenigen Worten sagen. Ich weiß nicht, ob es Dir bekannt ist, daß es in Berlin eine Kriegsakademie giebt?”

„Natürlich kenne ich die,” gab sie zur Antwort, „man nennt die Akademie im Gegensatz zu dem Generalstab, der die große Bude heißt, die kleine Bude.”

„Bravo,” lobte er, „stimmt. Auf der Akademie lernen die dorthin kommandirten Offiziere unendlich viel der grauen Theorie — Praxis aber lernen sie dort gar nicht. Ohne Praxis geht es nun einmal nicht, und deshalb werden im Sommer große Ferien gemacht, während deren die kommandirten Offiziere einer ihr[sic! D.Hrsgb.] fremden Waffengattung zur Dienstleistung zugetheilt werden. Der Infanterist kommt zur Kavallerie, der Artillerist zu den Pionieren und so weiter, drei Jahre hindurch kommt jeder Offizier zu einer anderen Waffe, um bei jeder den Dienstbetrieb kennen zu lernen. Uns hat die Vorsehung einen Husarenleutnant, einen Herrn von Bolten, bescheert, und natürlich habe ich als ältester Hauptmann ihn auf die Kompagnie bekommen.”

„Ach, der also war der hübsche Kavallerie-Offizier, den ich heute Morgen auf der Straße sah,” erwiderte Claire, „ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wer es wohl sein könnte. Weißt Du, Vater, er ist ein sehr hübscher Mensch, die kleidsame Uniform, der Dolman mit dem Pelzbesatz steht ihm ausgezeichnet.”

„Der häßlichste Infanterie-Offizier ist mir auf der Kompagnie lieber, als der schönste Husaren-Leutnant,” entgegnete der Vater, „was nützt mir ein Offizier, der mir jeden Parademarsch umwirft und der nicht im Stande ist, den Leuten etwas beizubringen, weil er selbst nichts kann? Vierzehn Tage hat man nur noch Zeit, ihn anzulernen, dann geht es in's Manöver, mir wird schlecht, wenn ich nur an die Dummheiten denke, die er da machen wird. Ich will mich freuen, wenn ich wieder nach Hause komme, ohne daß mir der Manövergast durch seine Geschichten, die er los lassen wird, das Genick gebrochen hat.”

Der Bursche trat mit einer Visitenkarte in das Zimmer: „Herr Leutnant von Bolten wünscht sein Aufwartung zu machen.”

„Sagen Sie, wir säßen bei dem Frühstück,” erwiderte der Hauptmann; aber Claire hielt den Burschen zurück, als er gehen wollte: „Wir können ihn nicht abweisen, Vater, bleib Du ruhig sitzen, ich werde ihn empfangen, wie ich ja auch seit dem Tode der Mutter alle anderen Besuche annehme.”

Gleich darauf saßen die beiden jungen Leute im Salon, und während sie mit einander über ganz gleichgültige Dinge plauderten, fühlten sie, wie sie sich gegenseitig betrachteten.

„Sie ist wirklich entzückend,” dachte Bolten, „ohne Hut sieht sie entschieden noch besser aus, als heute Morgen auf der Straße, es ist ein Jammer, daß man schon so bald in das Manöver muß. Hoffentlich ladet mein Hauptmann mich vorher noch einmal ein.”

„Er ist wirklich bildhübsch,” dachte Claire, „er hat wundervolle dunkle Augen, prachtvolle Zähne, hübsche Hände und Füße und die richtige leichte Kavalleristen-Figur. Schade, daß er schon so bald in's Manöver geht, hoffentlich setze ich es durch, daß wir ihn vorher noch einmal einladen.”

„Hat Ihr Herr Vater sich schon von dem Schrecken erholt, den ihm mein Kommen bereitet hat?” fragte er scherzend, „als ich mich heute bei ihm meldete, merkte ich es ihm an, daß er mich nach allen Richtungen der Windrose verwünschte. Verdenken kann ich es Ihrem Herrn Vater nicht — wir Manövergäste, die wir jedes Jahr um diese Zeit die Armee beglücken, sind einem Heuschreckenschwarm nicht unähnlich; wo wir uns niederlassen, zerstören und vernichten wir, was in der Truppe an Kenntnissen und guten Leistungen groß geworden ist. Wenn wir wieder von dannen gezogen sind, haben die anderen Herren genug damit zu thun, das wieder den Leuten beizubringen, was sie bei uns verlernt haben.”

„Ganz so schlimm wird es wohl nicht sein,” meinte sie lustig, „ich bin fest davon überzeugt, daß Sie meinem Vater eine gute Stütze, wenn auch nicht gerade im Haushalt, so doch beim Exerzieren sein werden.”

„Mein gnädiges Fräulein — Ihr Vertrauen ehrt mich.”

Er machte ihr seine feierlichste Verbeugung, warf ihr dabei aber, absichtlich etwas schielend, einen so komischen Blick zu, daß sie laut auflachte.

Sie scherzten und plauderten mit einander, nicht als sähen sie sich heute zum ersten Mal, sondern als kennten sie sich schon seit langer, langer Zeit.

„Nun, wie findest Du den Manövergast?” fragte der Vater, als Claire endlich wieder in das Frühstückszimmer trat.

„Reizend,” gab sie zur Antwort.

„Sag' doch lieber gleich ,himmlisch'” schalt er, „daß er Dir gefallen würde, hätte ich mir denken können, die Hauptsache aber ist, wie er mir gefällt, und das sag' ich Dir, wenn er nicht klüger ist als die anderen Manövergäste, die ich in meinem militärischen Leben habe kennen lernen müssen, dann wird er nicht viel Freude an mir haben.”

„Du wirst schon mit ihm zufrieden sein,” meinte Claire; aber ihre Prophezeiung ging nicht in Erfüllung.

Hauptmann von Rohrbach hatte keinen Spaß mehr daran, seine Kompagnie zu führen, er wartete schon lange auf den „Major”, sieben lange Jahre war er nun schon „Häuptling” und das ewige Einerlei dieser langen Hauptmannszeit hatte ihn nervös gemacht. Er konnte, wie er sich ausdrückte, „seine Kerls nicht mehr sehen” und die geringste Kleinigkeit konnte ihn in Harnisch bringen.

Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte seinen Manövergast beinahe ermordet, als dieser die vor ihm stehende Truppe nicht Bataillon, sondern, wie bei seiner eigenen Waffe „Eskadron” anredete.

„Kommandiren Sie doch auch noch Trab,” rief der Hauptmann in der höchsten Erregung. „Herr, in des drei Teufels Namen, stecken Sie Ihre Nase doch in das Reglement. Sie sind der älteste Leutnant auf meiner Kompagnie, wie soll das werden, wenn Sie mich im Manöver einmal vertreten, in meiner Abwesenheit ein Kommando abgeben und mit der Kompagnie in das Gefecht eingreifen müssen?”

„Kommt Zeit, kommt Rath,” dachte Herr Leutnant von Bolten, „das wird sich Alles finden, etwas unklar ist mir die Zukunft allerdings auch noch.”

Eines schönen Morgens, nachdem Bolten noch am Abend vorher in dem Hause seines Hauptmanns den Abschied von der Garnison gefeiert hatte, rückte die Truppe in das Manöver und die ersten Tage gingen dahin, ohne daß die Befürchtungen des Hauptmanns, daß er Schreckliches erleben würde, in Erfüllung gingen. Bisher hatte der Manövergast weiter Nichts gethan, als auf die endlose „Pintscherei”, das viele Laufen, gescholten. Ebenso wie jeder Andere, mußte er Alles zu Fuß mitmachen, ein Pferd besaß er gar nicht und als Kavallerist wurden ihm die langen Märsche naturgemäß sehr schwer.

Der Hauptmann hatt seiner Tochter versprochen, ihr jeden Tag eine Postkarte, wenn irgend möglich ohne Ansicht zu senden und kurz zu melden, wie es ihm dienstlich und außerdienstlich ginge — für Briefe war er nicht zu haben, um so größer war eines Tages Claire's Erstaunen, als sie ein langes Schreiben erhielt.

„ Um Gottes Willen,” dachte sie, „es wird doch kein Unglück geschehen sein?” dann las sie:

Meine liebe kleine Claire!

Der Teufel hole alle Manövergäste und den meinigen an der Spitze.

Verzeih', wenn ich mit dem Satz, der den Schluß dieser Epistel bilden müßte, anfange, aber der fromme Wunsch kam mir von Herzen und deshalb wollte ich ihn nicht länger zurückhalten. Welches freudige Ereigniß mir diesen Schmerzensschrei entlockte, willst Du wissen? Na, meinetwegen, aber vorher sage ich noch einmal: hol' ihn der Teufel.

Vorgestern war der erste Tag der Divisions­manöver, was das heißt, wirst Du wissen: unter den Augen Sr. Exzellenz des kommandirenden Generals, den übrigens ebenso wie alle anderen Vorgesetzten auch der Teufel holen möge, damit man endlich einmal avanzirt und nicht ewig und drei Jahre Hauptmann bleibt, kämpfte eine Division gegen die andere. Es versprach ein langer, wenn auch keineswegs genußreicher Tag zu werden, so rückten wir schon morgens um 4 Uhr aus unseren Quartieren ab — ich möchte nur wissen, warum man als Soldat überhaupt noch zu Bett geht, man schläft ja doch nie aus. Die berühmte Heeressäule, Infanterie, Kavallerie, Artillerie, Train, Pioniere, kurzum Alles, was zu einer Division gehört, marschierte dem Rendezvous-Platz entgegen und dort erwartete uns bereits der Herr Divisions­kommandeur mit seinen Adjutanten und seinem Generalstabs­offizier, um uns seinen weisen Befehl für den Vormarsch vorzulesen.

Auch Se. Exzellenz der kommandirende General war zugegen, um sich davon zu überzeugen, ob der Befehl des Divisions­kommandeurs wirklich so weise sei, wie dieser selbst glaubte — nach dem Gesicht der höchsten Exzellenz zu urtheilen, war dies nicht der Fall, das aber ist ja meistens so und nicht weiter bemerkenswerth.

Unser Kommandirende hat, wie sich das für einen Mann in seiner Stellung gehört, einen Adlerblick, und so erspähte er denn unseren Manövergast, der sich aus der Schaar der ihn umgebenden Infanterie-Offiziere ja deutlich abhob.

„Herr Leutnant von Bolten wird beritten gemacht,” sprach da plötzlich die Stimme Sr. Exzellenz, „und führt heute Morgen die Kompagnie des Herrn Hauptmann von Rohrbach. Ich werde Gelegenheit nehmen, dem Herrn Leutnant spätzer einen selbstständigen Auftrag zu geben, vorläufig bleibt die Kompagnie zu meiner Verfügung.”

Bolten stöhnte vor Entsetzen, ich selbst beschränkte mich darauf, meiner Kompagnie den Schutz einer höheren Macht zu erbitten.

Ein Husarengaul wurde herbeigeholt, und Bolten schwang sich in den Sattel; reiten kann er, das muß man ihm lassen, er stellte den alten „Friedrich Wilhelm” zusammen, daß der Gaul mit einem Male ein ganz anderes Aussehen bekam. Die alte Kuh verwandelte sich unter ihm in ein Pferd, in ein wirkliches Pferd, das sogar hinten ausschlug, als es die Sporen fühlte.

Der Vormarsch begann — ich hatte mir vorgenommen, mich immer in der Nähe meiner Kompagnie aufzuhalten, um im Augenblick der höchsten Gefahr zugegen zu sein und eingreifen zu können, aber der Divisions­kommandeur befahl mich zu seinem Stabe. Ich kam dem Befehl nach — Offiziere in den höheren Kommandobehörden zeichnen sich bekanntlich durch „durchgeistigte” Gesichter aus, so machte auch ich ein möglichst geistreiches Gesicht, um nicht unangenehm aufzufallen.

Das Gefecht verlief zuerst wie jedes andere. Die Spitze hatte Glück und stieß auf den Feind, die Avantgarde führte ein hinhaltendes Gefecht, das Gros ging auf Umwegen zum Angriff vor, die Artillerie machte einen Heidenlärm, die Kavallerie attaquirte Alles, was ihr vor die Lanzen kam, und die Pioniere bauten eine Brücke, von der sie ganz genau wußten, daß sie nicht benutzt werden würde.

Der Divisionskommandeur benutzte mich als Galopin und schickte mich mit Befehlen in die Welt — so sah ich Alles, nur nicht meine Kompagnie.

Zuerst tröstete ich mich damit, daß sie einen Spezialauftrag habe, dann aber ward ich doch unruhig — den Auftrag, von der Erdober­fläche zu verschwinden, konnte sie doch nicht erhalten haben.

Auch der kommandirende General, der uns die Ehre erwies, sich bei uns aufzuhalten, ward unruhig und sah zu wiederholten Malen nach der Uhr, nun erfuhr ich auch, welchen Befehl Bolten erhalten hatte: er sollte mit seiner Kompagnie versuchen, überraschend auf dem rechten feindlichen Flügel aufzutauchen und dann, wenn es die Gefechtslage irgend gestattete, durch einen Bajonettangriff den Feind zum Rückzug zu bewegen suchen.

Endlich, endlich erschien er mit meiner Kompagnie — wie ich später erfuhr, hatte er sich gewaltig verlaufen — aber er kam zur rechten Zeit. Der rechte feindliche Flügel war erschüttert, ein Bajonettangriff hätte ihn und damit die weitere Linie zum Rückzug gebracht.

In strammem Tritt, Tambour battant, kam er ganz richtig anmarschirt, immer näher und näher.

„Zum Donnerwetter noch einmal,” wollte ich ihm zurufen, „so kommandiren Sie doch endlich: „Zum Sturm — Gewehr rechts, marsch, marsch — Hurrah!”

Soweit es mir möglich war, winkte ich ihm mit beide Händen: „Nun ist es Zeit, los jetzt, sonst werden Sie über den Haufen geschossen.”

„Gott sei Dank,” dachte ich, „endlich hat er kapirt.”

Aber es hätte nicht viel gefehlt, so wäre ich in der nächsten Minute vom Gaul gefallen.

„Legt Lanzen ein, Eskadron Galopp — marsch, Hurrah!” kommandirte er mit lauter Stimme, und, seinem Pferd die Sporen in die Weichen jagend, den Säbel schwingend, stürmte er davon, dem Feinde entgegen.

Erst als der Feind ihn auslachte, sah er, was er gethan hatte, da erst fiel es ihm wieder ein, daß er eine Kompagnie und keine Schwadron führe.

Die Kritik hättest Du hören sollen, liebes Kind — nein, besser nicht, freue Dich, daß Du eine zarte Jungfrau und kein rauher Krieger bist.

Bolten entschuldigte sich damit, in der Hitze des Gefechts vergessen zu haben, welche Truppe er befehligte — er sei in seinem Irrthum dadurch verstärkt worden, daß er zum ersten Mal seit seinem Kommando zur Kriegsakademie wieder beritten gewesen sei.

Aber die Entschuldigungen der Untergebenen, mögen sie auch noch so gut sein, sind in den Augen und Ohren der Vorgesetzten überhaupt gar keine Entschuldigungen — das mußte auch Bolten wieder erfahren. Er bekam Dinge zu hören, Dinge, die nicht mehr schön waren.

Hol' ihn der Teufel. Wo ich mich sehen lasse, heißt es: „Darf ich fragen, wie es Ihrer Schwadron geht?” und als Chef der Schwadron habe ich in der ganzen Division den Beinamen erhalten: „Der Rittmeister.”

Der Kommandirende hat davon gehört und redete mich selbst heute „Herr Rittmeister” an — so sauer ist es mir noch nie geworden, über einen „Witz” eines Vorgesetzten zu lachen, wie bei dieser Gelegenheit. — Ich bin todt. Bis zu diesem Gedankenstrich war ich gekommen, da trat Bolten zu mir in's Zimmer und bat, mich sprechen zu dürfen. Er machte mich darauf aufmerksam, daß sein Kommando gleich nach dem Manöver beendet sei — „Gott sei Dank” dachte ich —, und fuhr dann fort: „Ich möchte Sie, sehr verehrter Herr Hauptmann, fragen, ob Sie etwas dagegen einzuwenden hätten, wenn ich mir noch acht Tage Urlaub nähme und diese Zeit dazu benutzte, um mich um Ihr Fräulein Tochter zu bewerben.”

Vom Stuhl bin ich gefallen, hast Du es nicht gehört?

„Herr Leutnant,” sagte ich endlich, „daß Sie mich zum Gespött des ganzen Armeekorps gemacht haben, möge Ihnen ein Anderer verzeihen, ich kann es nicht. Daß Sie aber nun auch noch meine Tochter heirathen, mir das Einzigste fortnehmen wollen, was ich besitze, das kann Ihnen selbst ein Anderer nicht verzeihen.”

Als er nun aber auch noch sagte, er glaube, Dir nicht ganz gleichgültig zu sein, und anfing, mir eine lange Rede zu halten, daß ich Deinem Glück nicht entgegenstehen dürfe, gab ich ihm einen dienstlichen Auftrag, der ihn zwang, sofort mein Zimmer zu verlassen. — mit anderen Worten, ich warf ihn in höflicher Art und Weise hinaus.

Hol' ihn der Teufel!

Ich wollte Dir von diesem Unsinn zuerst gar nichts schreiben, denn es erscheint mir ganz ausgeschlossen, daß Du ihm „zugeneigt bist” (Ihr kennt Euch ja gar nicht), und außerdem glaube ich nicht, daß Du wirklich daran denkst, mich zu verlassen, — wenn ich es Dir dennoch mittheile, so thue ich es, weil Du ja, um mit Fritz Reuter zu reden, „die Nächste” dazu bist.

Gieb mir umgehend Antwort.

Der Teufel soll ihn holen.

Dich küßt

Dein Vater.”

Eine glühende Röthe bedeckte Claire's Wangen, während sie den letzten Theil des Briefes las; aber als sie geendet, schrieb sie mit schneller, fiebernder Hand ein Telegramm an ihren Vater.

Schon nach einigen Stunden kam die Antwort, und zwischen Lachen und Weinen las Claire die Worte:

„Hol' Euch Beide der Teufel!”


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© Karlheinz Everts