Deutsche Romanzeitung
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1917                               Heft 17

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Der Jahrgang läuft von Oktober zu Oktober * Schriftleitung des Romanteils: Otto Jankes Verlag * Nachdruck verboten

An unsere Leser!

Am 30. Januar d. J. feiert Freiherr von Schlicht, dessen erste humoristische Romane in der Deutschen Romanzeitung erschienen, seinen 50. Geburtstag. Die Leser unseres Blattes, die sich an Schlichts Muse erfreut haben, finden in diesem Heft sein Bild als besondere Beigabe. Im folgenden bringen wir neben einer lustigen kleinen Geschichte aus Schlichts Feder eine Reiseschilderung, die dem Buche „Was ich so erlebte” entnommen ist.*)

*) „Was ich so erlebte” von Freiherr von Schlicht, ist soeben im Verlage von Otto Janke erschienen. Preis 2 Mark, gebunden 3 Mark.

„Männe.”
Eine Hundegeschichte von Freiherr von Schlicht.

Als ich vor nunmehr neun Jahren in den Hafen einer ruhigen und glücklichen Ehe einlief, war von all den Geschenken, mit denen meine Frau mich am Hochzeitstage überraschte, für mich das Liebste und Schönste, ihr toter Hund. Natürlich nicht der tote Hund als solcher, denn der war begraben und verscharrt, zum größten Leidwesen meiner Frau, aber zu meiner Freude. Persönlich hatte ich den Hund nicht kennen gelernt, aber meine Frau hatte mir viel von ihm erzählt, er war ihr bester, treuester Freund gewesen, er hatte nur aus Tugenden bestanden und seine kleinen Untugenden konnte man gar nicht als solche bezeichnen, denn daß er jedem männlichen Besucher an die Beine fuhr und diesem das Beinkleid zerriß, war doch mehr scherzhaft , als für den Besucher schmerzhaft und daß er die Damen, die zu Besuch kamen, in die Beine biß und ihnen die Strümpfe entzwei riß, da er mit Vorliebe unter die Röcke zu schlüpfen pflegte, war doch auch mehr scherzhaft als schmerzhaft. Und auch sonst war der Hund, ein Blaek and Terrier, der auf den Namen Piepel hörte, frei von allen Fehlern gewesen. Er hatte höchstens einen besessen, er hatte vom frühen Morgen bis zum späten Abend gekläfft und gebellt und wenn ihm des Nachts in seinen Träumen irgend etwas nicht paßte, hatte er die Bellerei und die Kläfferei fortgesetzt. Meine Frau war schließlich an dieses Bellen so gewöhnt gewesen, wie ein Uhrmacher an das Tick-tack seiner Uhren, sie hörte es gar nicht mehr, sie empfand es wenigstens nicht als Störung, für mich bei meiner Arbeit aber wäre der Hund im Hause eine Unmöglichkeit gewesen. Das sah meine Frau selbst ein, aber trotzdem, lieber hätte sie auf die Ehe mit mir verzichtet, als daß sie sich jemals von ihrem Piepel getrennt hätte. Das war keine leere Redensart, das war ihre felsenfeste Überzeugung und an der hätte sie auch festgehalten, wenn ihr Piepel nicht eines Tages an einer Portion Gift gestorben wäre, die man ihm hatte vorsetzen müssen, um das Leiden seines Alters, dem Blindsein und vor allen Dingen der Würmerplage, ein Ende zu machen. Piepel hatte seine Hundeseele ausgehaucht und als er tot war, hatte meine Frau sich halb tot geweint — ganz tot nur deshalb nicht, weil man sich überhaupt nicht totweinen kann. Piepel war tot, aber das nicht allein. Meine Frau hatte sich geschworen, sich nie wieder einen Hund anzuschaffen, damit ihr Herz nicht zum zweitenmal halb durchbräche, wenn sie auch den zweiten Hund wieder vergiften lassen müsse. Nie wieder!

Wenn eine Frau „nie wieder” sagt, dann hält sie es elbstverständlich auch, aber es fragt sich nur wielange.

Meine Frau hielt es sieben lange Jahre und das hatte ich offengestanden weder den sieben Jahren, noch meiner Frau zugetraut.

Dann aber kam eines Tages ein Brief. Ich saß in dem schönen Wildbad und badete gegen meinen Rheumatismus und meine Frau saß in Bad Elster und badete gegen ihren Rheumatismus. Und von dort aus schrieb meine Frau mir eines Tages, ob ich wohl sehr böse sein würde, wenn sie sich doch wieder einen Hund anschaffte, sie habe ihn vor ein paar Tagen gesehen und sich sofort in ihn verliebt. Er sei ein Dackel mit so wunderschönen krummen Beinen, wie sie nur ein ganz echter Dackel haben könne und er sei spottbillig, er koste nur zwanzig Mark, ob ich wohl böse sein würde.

Wenn eine Frau sich erst danach erkundigt, ob ihr Mann böse wird, dann weiß sie ganz genau, daß er einen Wutanfall bekommt. Der kam denn auch über mich, nicht etwa, als ob nicht auch ich ein Hundefreund wäre, auch ich liebe Hunde, aber nur solche, die nicht mir gehören und die nicht bei uns im Hause sind. Gegen die Hunde habe ich gar nichts, aber ich hasse das Hundegebell, das geht mir auf die Nerven, das kann ich einfach nicht ertragen. Aber trotzdem behielt ich diesen Einwurf vorläufig noch zurück und schrieb meiner Frau lediglich: Ich bitte Dich herzlichst, überlege Dir die Sache mit dem Dackel nochmals reiflich, die zwanzig Mark, die er kosten soll, spielen ja schließlich keine Rolle, aber denke daran, daß es mit den zwanzig Mark allein nicht getan ist. Wie ich letzthin in unserer Weimaraner Zeitung las, ist die Hundesteuer dort von zwanzig Mark auf vierzig Mark erhöht worden. Dazu kommt die Schwierigkeit, jetzt im Kriege einen Hund gut zu ernähren. Woher willst Du für ihn das Fleisch nehmen, das er schließlich doch braucht?

Die Antwort lautete genau so, wie ich es erwartete: das Fleisch wollte sich meine Frau für den Dackel von ihrem Munde absparen und wegen den Hundesteuern brauche ich mir keine Sorgen zu machen, die würde sie schon bezahlen, um die brauche ich mich nicht zu bekümmern, denn ich gäbe ihr für die Wirtschaft einen so anständigen Zuschuß, daß es mir sicherlich nicht darauf ankommen würde, ihr auch noch die vierzig Mark für die Hundesteuer zu geben. Ich wäre doch sonst immer so gut, warum ich gerade dieses Mal nicht gut sein wolle, sie wünsche sich doch den Hund so leidenschaftlich, denn der sei so ruhig und so still wie kein zweiter. Um sich mit ihm anzufreunden, habe sie ihn schon ein paarmal bei sich in ihrem Zimmer gehabt, er säße auch jetzt, während sie mir schriebe, zu ihren Füßen und sähe sie mit seinen klugen Augen an, aber er habe noch nicht ein einzigesmal gebellt, selbst als sie ihm vorhin versehentlich auf den Schwanz getreten habe, hätte er nicht geheult oder gewinselt, sondern hätte nur etwas unwillig mit dem Kopf geschüttelt, sie verbürge sich dafür, daß der Dackel mich nie bei meiner Arbeit stören würde.

Ich schrieb zurück: „Dein Dackel scheint mir ein Idiot zu sein, anders vermag ich es mir wirklich nicht zu erklären, daß er mit dem Kopf schüttelt, wenn Du ihn auf den Schwanz trittst. Und ein Hund, der nicht bellt? Das kommt mir so vor, wie eine Amme, die nicht stillt, wie ein Klavier, das nicht gespielt wird, wie eine Köchin, die jeden Mittag zur vollsten Zufriedenheit ihrer Gnädigen kocht, wie ein Schaf, das nicht blökt, oder wie ein Stubenmädchen, das am Quartalsersten ihrer Herrschaft kündigt, weil es nach ihrer Ansicht zuviel Lohn bekommt. Zuviel, nicht zu wenig. Ich könnte Dir noch hundert solche Unmöglichkeiten aufzählen, aber die größte von allen ist ein Hund, der nicht bellt. Der Dackel, der noch nicht Deiner ist und es hoffentlich auch nicht werden wird, muß also entweder an einer momentanen Lähmung seiner Stimmbänder leiden, oder der Dackel ist ein ganz raffinierter Hund und will sich durch sein jetziges Nichtbellen bei Dir einschmeicheln. Was er in dieser Hinsicht jetzt mit schlauer Berechnung versäumt, wird er später schon nachholen, dafür verbürge ich mich. Davon aber ganz abgesehen, denke an den qualvollen Tod Deines seligen Piepels und an die Würmer, die ihn schon bei Lebzeiten halb auffraßen. Auch Dein Dackel, so jung er heute auch noch ist, wird eines Tages alt werden und die Würmer bekommen, denn die bekommt jeder Hund so sicherlich, wie jeder Mensch jetzt im Kriege keine Butter . . . . ”

Meine Frau schrieb zurück: „Du irrst Dich. Ich habe gestern, allerdings ganz durch Zufall, zwei Pfund Butter aufgetrieben, also Dein Vergleich hinkt wie jeder andere. Und warum verdirbst Du mir die Freude an der Gegenwart dadurch, daß Du die Zukunft schwarz malst? Gewiß, auch der Dackel wird eines Tages alt und wacklig auf den Beinen werden, aber bis dahin ist es ja noch lange hin. Auch Deine Befürchtung ist unnötig, ich habe den Dackel gestern genau untersuchen lassen, er hat nicht die leiseste Veranlagung, jemals Würmer zu bekommen, auch in der Hinsicht bildet er eine rühmliche Ausnahme seines Hundegeschlechts. Deshalb habe ich ihn mir gestern auch schon fest gekauft, ihn sogar schon bezahlt und nun sage was Du willst.”

Das tat ich denn auch und telegraphierte: „Bitte Dich dringend, Kauf sofort wieder rückgängig zu machen, ich zahle dem Verkäufer jede gewünschte Entschädigung. Eilbrief folgt.”

Dann setzte ich mich hin und schrieb einen langen, langen Brief, in dem ich meine Frau an alles erinnerte, was sie früher mir selbst auseinandersetzte, wenn das Gespräch darauf kam, wie froh sie eigentlich darüber sei, daß ihr Piepel nicht mehr lebe. „Was soll aus dem Hund werden, wenn wir auf Reisen gehen? Soll der mit uns zusammen zum Ärger der anderen Reisenden in der ersten Klasse fahren, oder willst Du den vielleicht in die Hundeabteilung sperren lassen, wo er Hunger und Durst leidet und sich unter Umständen Rheumatismus und sonst noch was holt? Und wenn er zu Hause bei den Mädchen bleibt, wer weiß, ob die in der jetzigen Zeit, wo sie selbst nicht im Überfluß leben, gut für ihn sorgen. Was dann, wenn auch die Mädchen einmal auf Urlaub fahren wollen? Dann kann man die doch nicht nur des Hundes wegen dauernd an das Haus fesseln. Aber noch eins, denke an unsere täglichen Spaziergänge in Weimar nach Belvédère, Du begleitest mich bis dort hinauf und während ich noch durch den ganzen Park gehe, kehrst Du um, weil es Dir sonst zu weit wird und oft mußt Du sogar mit der Elektrischen zurückfahren. Ich kann den Hund nicht mit mir nehmen, weil im Park keine Hunde geduldet werden, er müßte Dich also zurück begleiten und wo bleibt er, wenn Du die Bahn benutzen mußt? In den Wagen darfst Du ihn nicht mit hineinnehmen, er müßte also hinterher laufen und das wäre eine Grausamkeit und Tierquälerei, die ich Dir nicht zutraue. Bedenke noch vieles andere. Wo soll der Hund des Nachts schlafen? Auf dem Korridor, damit er mich anbellt und Dich weckt, wenn ich später als Du schlafen gehe? Oder etwa bei Dir in Deinem Zimmer? Der Gedanke allein ist unästhetisch. Denke auch an den Schmutz, den er Dir bei schlechtem Wetter in das Haus trägt, denn wenn der Dackel auch angeblich eine Ausnahme seines Geschlechts bildet, daß er sich jedesmal, bevor in das Haus tritt, an dem eisernen Abkratzer die Pfoten reinigt, das glaubst Du doch wohl selber nicht.”

So ging das noch eine ganze Weile weiter. Ja, dies alles auf Ehr' schrieb ich meiner Frau und noch mehr. Und der gewünschte Erfolg blieb dann glücklicherweise auch nicht aus. Meine Frau schrieb mir zurück: „Ja, sie sähe es ein, ich hätte vollständig recht, sie hätte sich das alles vorher überlegen müssen, aber bei diesem Dackel sei es nun zu spät, weil sie ihn sich bereits gekauft habe.” Und dann hieß es wörtlich: „Ich kann Dir nur wiederholen. Du machst Dir viel zu viel unnötige Gedanken. Der Dackel kann ruhig bei mir im Zimmer schlafen, ohne daß das irgendwie unästhetisch wäre — des Dackels wegen brauchen die Mädchen, wenn sie mal auf Urlaub fahren wollen, nicht zuhause bleiben — dem Dackel wird kein Parkwächter etwas tun, wenn er Dich einmal nach Belvédère begleiten sollte — den Dackel können wir, wenn wir reisen, ruhig mit in unsere Fahrabteilung nehmen, oder wie das schöne Wort Coupé sonst jetzt auf deutsch heißt, ohne daß sich die anderen Mitreisenden darüber beschweren werden. Und nun bitte ich Dich eins, söhne Dich mit meinem Dackel aus und sei friedlich.”

Ich aber dachte nicht daran, mich auszusöhnen und friedlich war ich erst recht nicht. Ich bekam sogar auf den Dackel eine, mit Respekt zu sagen, stinkende Wut, nicht wegen seiner Fehler, die sich später sicher herausstellen würden, sondern wegen seiner jetzigen vielen Tugenden. Schon auf der Schule habe ich die sogenannten Musterknaben immer verprügelt, weil sie mir ekelhaft waren und nun sollte ich mit einem Musterhund Freundschaft schließen? Das ging mir wider die Natur, denn wenn ein Hund nun einmal ein Hund ist, dann soll er auch einer sein, sonst ist er eben kein Hund. Ich war wütend, ein klein wenig wütend auch auf meine Frau, mir kam es so vor, als habe sie mich etwas damit necken wollen, daß sie mir ihren Dackel vordeklinierte, auf jeden Fall war ich es meiner schriftstellerischen Ehre schuldig, ihr zu beweisen, daß ich trotz des Dackels das Deklinieren auch noch nicht verlernt habe und deshalb schrieb ich: „Ich strecke die Waffen, ich bin besiegt wie die Russen bei Tannenberg, demnächst fahre ich nach dem Osten und ertränke mich in den Masurischen Seen. Vorher werden wir uns ja aber noch einmal sehen und wenn wir uns in der nächsten Woche in Frankfurt am Main treffen, um zusammen noch ein paar Wochen nach Königstein im Taunus zu gehen, dann tue mir die einzige Liebe und schicke vorher den Dackel mit dem Mädchen nach Hause, bringe ihn nicht mit nach Frankfurt, denn der Hund würde die Freude des Wiedersehens mit Dir trüben, des Hundes Leben hing an einer sehr dünnen Hundeleine, — dem Hund würde ich sehr bald das Genick umdrehen, — den Hund will ich erst so spät wie möglich mit meinen eigenen Augen sehen, am liebsten sogar gar nicht.”

Ich konnte mir nicht helfen, meine Deklination gefiel mir nicht recht, es kam mir so vor, als sei meine Frau mir in der Kunst über, aber mir war nichts Besseres eingefallen und einen Zweck würde es doch nicht haben, denn daß meine Frau den Hund mit nach Frankfurt bringen würde, davon war ich so felsenfest überzeugt, wie — aber da jeder Vergleich hinkt, sagte ich mir im stillen ganz einfach nur: wie!

Wie aber soll man aus einer Frau klug werden, denn als ich meine Frau bald darauf in Frankfurt traf, hatte sie den Hund nicht bei sich. Sie zerrte ihn nicht an der Leine hinter sich her, sie trug ihn nicht auf dem Arm, sie hatte ihn auch nicht in ihrem Handkoffer verpackt und ihn auch nicht in der großen Handtasche versteckt. Meine Frau hatte tatsächlich meinen Wunsch erfüllt, aber trotzdem war das Wiedersehen etwas gedrückt. Ich las es in den Augen meiner Frau, sie hätte mir am liebsten gleich stundenlang von dem Dackel erzählt, sie aber las in meinen Augen: Sprich mir von allen Tieren dieser Erde, nur von dem Dackel sprich mir nicht. Wir saßen uns ziemlich schweigsam gegenüber und verzehrten unser Kriegsmittagessen, bis es Zeit wurde, den Zug nach Königstein zu besteigen, wo ich in dem großen, schönen, weltbekannten Hotel Stern bereits Zimmer für uns bestellt hatte.

Als ich am nächsten Tage von einem einsamen Spaziergang zurückkehrend mein Zimmer betrat, dachte ich, mich solle der Schlag rühren, denn mitten im Zimmer stand der Dackel und sah mich mit treuherzigen Augen an, die mich zu fragen schienen: Was habe ich dir denn eigentlich getan, daß du so schlecht auf mich zu sprechen bist? Dieser stummen Anklage gegenüber schwand mein Groll etwas dahin, zumal ich meiner Frau darin recht geben mußte, was sie mir früher geschrieben hatte. Der Dackel war wirklich auffallend hübsch, aber das Schönste an ihm waren seine krummen Beine. Ich sah es voraus, auf diese krummen Beine würden alle Dackel in Weimar eifersüchtig und neidisch werden. Und noch eins söhnte mich mit ihm aus, er bellte nicht, als ich in das Zimmer trat, er bellte auch nicht, als ich mich zu ihm niederbeugte, um ihn, wenn auch etwas widerstrebend, zu streicheln. Er bellte selbst dann nicht, als ich ihn nun, um ihn auf die Probe zu stellen, absichtlich auf den Schwanz trat, wie meine Frau es versehentlich getan hatte. Nein, er bellte wirklich nicht, sondern wackelte nur mit dem Kopf, erst von links nach rechts, dann von rechts nach links, dann von oben nach unten und von unten nach oben, aber dann gab er so merkwürdige, sonderbare Töne von sich, daß ich ihm zurief: „Verehrter Herr Dackel, dein Halsscharnier scheint mir nicht ganz in Ordnung zu sein, trotz der fettlosen Zeit muß das einmal irgendwie eingefettet werden, komm' her, ich verstehe zwar nichts davon, aber trotzdem mach' mal den Schnabel auf und sage mal a.”

Erneut wollte ich mich zu dem Dackel niederbeugen, da klang plötzlich ein frohes, helles Lachen an mein Ohr und als ich mich umwandte, stand meine Frau im Zimmer.

Warum lachst Du denn nur? wollte ich sie fragen, bis ich plötzlich nicht mehr zu fragen brauchte, denn jetzt erst sah ich, daß der Dackel zwar ein Dackel war, aber kein lebender, sondern ein mehr als täuschend nachgemachter, künstlich präparierter Dackel, der die sonderbaren Halstöne nur deshalb von sich gab, weil man ihm einen Mechanismus in den Hals hineingebaut hatte.

Nicht mit dem klügsten Gesicht von der Welt stand ich da, denn nun erst wurde mir klar, warum dieser Dackel mich durch sein Bellen niemals bei der Arbeit stören würde. Nun erst sah ich ein, warum der tatsächlich in jeder Hinsicht eine Ausnahme des Hundegeschlechtes sei. Nein, sehr geistreich war mein Gesicht nicht, und es wurde dadurch nicht klüger, daß meine Frau mich immer aufs neue auslachte, weil ich auf den Hundekauf derartig hineingefallen sei und ihr so ernsthafte und erregte Briefe geschrieben habe, über die sie sich mit dem Mädchen in Bad Elster halb krank gelacht hätte.

Meine Frau lachte und schon, um mir nicht noch dümmer vorzukommen, als das ohnehin der Fall war, lachte ich schließlich mit, aber eins schwur ich mir im stillen: nie wieder darauf hinein zu fallen, wenn meine Frau mich erneut fragen solle, ob ich ihr böse sein würde, wenn sie sich einen Hund kaufe. Nie wieder, oder doch erst recht, denn wer kennt sich bei einer Frau aus und wer konnte wissen, ob meine Frau sich das nächstemal, wenn ich nicht böse würde, nicht als Gesellschafter für den ausgestopften Dackel einen lebenden kaufen würde, oder einen anderen Dackel, der gar kein Dackel, sondern eine Ulmer Dogge oder ein Neufundländer war?

Bis jetzt ist das allerdings noch nicht geschehen, aber davon, daß der Tag kommen wird, vielleicht schon während der nächsten Sommerreise, bin ich fest überzeugt, denn wozu hätte mir meine Frau sonst so oft erzählt, sie würde sich nie wieder einen Hund wünschen?

Wenn eine Frau schon sagt: nie wieder! Das heißt auf deutsch; nicht heute oder morgen — aber eines Tages ganz bestimmt!


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© Karlheinz Everts