Meine Frau und ihr Hund.

Von Freiherrn v. Schlicht (Weimar).
in: „Berliner Tageblatt” vom 27.Okt. 1910,
in: „Postimees” (Estland), vom 9.(21.)12.1910
(unter dem Titel „Minu naene ja tema koer”),
in: „Weimarische Landeszeitung Deutschland” vom 8.Jan. 1911,
in: „Satakunnan Kansa” vom 10.6.1923, übersetzt ins Finnische,
unter dem Titel „Vaimoni ja hänen koiransa”,
in: „Frauen!” und
in: „Meine Kabarettgeschichten”


Weimar ist die Stadt der Hunde, und so oft wir hier durch die Straßen der Stadt gehen oder in dem unvergleichlich schönen Park einen Hund treffen, sagen(1) wir uns immer: „Alles, nur keinen Hund.”

Das heißt, sagen tat es nur meine Frau, ich dachte es mir bloß, denn wozu über Sachen sprechen, die außerhalb des Bereiches einer jeden Diskussion liegen?

Daß wir jemals einen Hund haben sollten, das war ganz ausgeschlossen, es lohnte sich wirklich nicht, daüber auch nur ein Wort zu verlieren, und es war ganz überflüssig, auch nur von den Hunden im allgemeinen zu sprechen.

Aber meine Frau sprach doch davon. So oft sie sich auf den Spaziergängen über einen Köter geärgert hatte und in die Worte ausbrach: „Alles, nur keinen Hund,” setzte sie stets hinzu: „Wir könnten uns ja auch gar keinen Hund halten. Denk dir nur, wie er dich durch sein Bellen bei der Arbeit stören würde, und dann der Schmutz auf den Treppen und Läufern, wenn der Hund draußen gewesen ist. Man kann doch nicht fortwährend mit einem Tuch hinter ihm herlaufen, um ihm beständig die Pfoten abzuwischen. Und gerade an den Pfoten sind die armen Tiere so empfindlich. Sie bekommen nur zu leicht Rheumatismus, und wenn man nun einmal einen Hund hat, da muß man sich doch um ihn kümmern und ihn pflegen.(2)

„Wir haben aber doch keinen Hund und werden ja auch niemals einen besitzen.”

„Gewiß nicht,” stimmte meine Frau mir bei, „ich meinte ja auch nur so. Aber man kann doch mal über Dinge sprechen, auch wenn sie gar nicht ernsthaft in Frage kommen. Du sprichst doch auch oft davon, was du mir alles schenken willst, wenn du vielleicht doch noch einmal das große Los gewinnen solltest.”

„Erst laß mich nur mal gewonnen haben, dann kannst du dir wünschen, was du willst — alles, nur keinen Hund.”

Zu diesem Nachsatz veranlaßte mich lediglich ein großer Köter, der in langen Sprüngen daher kam und mich um ein Haar umgerannt hätte. Ich hatte(3) mir bei den Worten sonst wirklich nichts gedacht. Mit um so größerem Erstaunen bemerkte ich, daß meine Frau plötzlich ganz still und nachdenklich wurde. „Was hast du denn nur?” fragte ich endlich.

„Nichts,” gab sie zur Antwort, und dann setzte sie hinzu: „Aber, nicht wahr, eins versprichst du mir ganz fest, wenn du wirklich jemals gewinnen solltest, einen Hund schenkst du mir auch dann nicht.”

„Da kannst du ganz beruhigt sein,” gab ich zurück, „und da ich noch nicht gewonnen habe und wohl auch niemals gewinnen werde —”

„Das kann man nicht wissen,” unterbrach mich meine Frau, „unverhofft kommt oft, und wie gesagt, das versprichst du mir — alles, nur keinen Hund.”

Ich sah meine Frau ganz verständnislos an: „Warum ich dir das erst noch feierlich versprechen soll, wird mir ewig ein Rätsel bleiben, aber wenn du es wünschest, bin ich sogar bereit, dir mein Ehrenwort zu geben.”

Aber meine Frau widersprach: „Das tut nicht nötig, dein Versprechen genügt mir vollständig.”

Und es mußte ihr wirklich genügen, denn sie wurde wieder fröhlich und heiter wie sonst und begann wieder darauf loszuplaudern, bis sie dann plötzlich zu mir sagte: „Weißt du, ich bin ja so froh, daß du mir das Versprechen gegeben hast, denn nun kann ich es dir ja gestehen, im stillen habe ich immer gefürchtet, du würdest mir doch einmal einen Hund schenken.”

„Ich — dir?” Ich war stehen geblieben und starrte meine Frau an. Ich kenne die Frauen und meine Frau und wundere mich bei ihnen schon lange über nichts mehr, aber trotzdem, wie meine Frau auf den Gedanken kommen konnte —

Ich stand immer noch wie angewurzwelt da, meine Frau war vorausgegangen, jetzt rief sie mir zu: „Nun komm doch endlich, was sollen sonst die Leute denken?”

„Das ist mir ganz gleich,” gab ich zur Antwort. Ich setzte meinen Weg fort und sagte: „Aber nun erkläre mir, bitte, wie du nur auf diesen wahnsinnigen Gedanken kommen konntest.”

Ganz klar schien das meiner Frau auch nicht zu sein, wenigstens dauerte es sehr lange, bis sie endlich zu mir sagte: „Du bist doch so grenzenlos gut zu mir, du denkst fortwährend darüber nach, was du mir schenken kannst, und da dachte ich immer, du würdest mir doch eines Tages einen Hund kaufen, weil du vielleicht zu der Ansicht kämst, meine Worte: „Alles, nur kein Hund,” wären nicht so ernsthaft gemeint, und ich sagte das nur, weil ich ja weiß, daß du eigentlich keine Hunde liebst, obgleich du den kleinen Pipel, den Hund meiner Schwester, zum mindesten ebenso oft auf den Schoß nimmst wie ich. Und du hast mir auch schon so oft erklärt, es störe dich bei deiner Arbeit, daß du nicht wüßtest, wie ich mir die Zeit vertreiben solle. Wie gesagt, da meinte ich, du würdest in deiner Güte vielleicht doch noch einmal auf den Gedanken kommen, mir einen Hund zu schenken, damit ich dann nicht mehr so viel allein wäre und auch einen Wächter im Hause hätte, wenn du einmal geschäftlich auf Reisen gehen mußt. Das waren so meine Gedanken, nun weißt du es.”

Ja, nun wußte ich es, aber diesmal wußte ich lange nicht, was ich darauf antworten sollte, dann aber fragte ich: „Warum hast du es mir denn nicht schon lange erklärt, daß du dir einen Hund wünschst.”

„Von wünschen ist doch gar nicht die Rede,” verteidigte sich meine Frau, „aber wenn du mir trotzdem einen schenken würdest, ich wüßte gar nicht, was ich alles vor Freude täte, und natürlich muß es ein Foxel sein, die liebe ich am allermeisten, und vor allen Dingen sind sie nicht so teuer, für achtzig Mark bekommen wir schon einen sehr schönen.”

„Na, na,” meinte ich, „das wird wohl nicht reichen, wenn es wirklich ein echter Foxel sein soll.”

„Doch,” widersprach meine Frau, „das weiß ich besser,” und dann erfuhr ich auch, woher sie es wußte. Sie hatte sich bereits von einer große Hundezüchterei heimlich einen Preiskurant kommen lassen.

Für achtzig Mark bekam sie einen rassereinen Hund. „Und weißt du, natürlich habe ich mir schon alles genau berechnet, etwas kostet ein Hund ja allerdings an Steuern, Futter und sonstigen kleinen Ausgaben. Wir müssen einen schönen Korb für ihn anschaffen, eine warme Decke, ein Halsband, aber das sind ja alles nur Kleinigkeiten, die bezahle ich von meinem Wirtschaftsgeld, darum brauchst du dich gar nicht zu kümmern, höchstens, daß du mir vielleicht die Hundesteuer bezahlst. Das ist ja allerdings eine große Ausgabe, aber schließlich spielen die vierzig Mark im Jahr bei deinem Etat keine Rolle, und ob du vierzig Mark mehr oder weniger hast, darauf kommt es schließlich auch nicht an.(4)

Ich sagte Ja und Amen, und da wir gerade unterwegs waren, gingen wir gleich in ein Geschäft, um alles für unseren Hund(5) einzukaufen. Der war zwar noch nicht da, aber er sollte noch heute telegraphisch bestellt werden.

Und meine Frau kaufte ein: Korb, Halsband, Hundedecke, Hundekuchen, für alle Fälle auch eine Hundepeitsche, was weiß ich. Ich kümmerte mich auch weiter nicht darum, denn unseren Verabredungen gemäß ging dieser Einkauf mich nichts an, dafür kam meine Frau auf. Aber als sie dann eingekauft hatte, mußte ich bezahlen.

„Ich habe nicht so viel Geld bei mir,” flüsterte meine Frau mir zu, „und ich mag den Leuten, bei denen ich heute zum erstenmal kaufe, die Kleinigkeit nicht schuldig bleiben.”

Die Kleinigkeit betrug 67 Mark 45 Pfennig.

„Die gebe ich dir selbstverständlich gleich zu Hause wieder,” sagte meine Frau, als wir auf die Straße traten.

Aber das kenne ich aus Erfahrung, und so bat ich denn: „Gib mir das Geld lieber nicht wieder, dann sehe ich es vielleicht wieder, aber wenn du dein Versprechen hältst, bekomme ich es niemals.”

Meine Frau wurde böse. „Wenn ich dir sage, daß ich es dir wiedergebe, dann tue ich es auch.”

Aber als ich sie dann zu Hause an das Versprechen erinnerte, war sie viel zu sehr beschäftigt, um das Geld holen zu können. „Das wird doch wohl noch fünf Minuten Zeit haben. Hilf mir lieber einen Platz aussuchen, wo der Korb stehen soll, und wo der Hund des Nachts schläft.”

Länger als eine Stunde liefen wir mit dem Korb in der Hand in unserer Villa auf und ab. Bald stand der Korb im Parterre in der Garderobe, bald auf dem Korridor, bald in der ersten Etage vor der Schlafzimmertür, bald neben dem Schlafzimmer in der Schrankstube, bald unten im Souterrain, damit unser Foxwl gleich anschlagen könne, wenn nachts eingebrochen würde; dann wieder im Parterre, „denn wenn alle Türen geschlossen sind, hört man das Bellen ja doch nicht”.(6) Das ging so lange hin und her, bis meine Frau endlich ganz erschöpft in einen Stuhl fiel: „Ich kann nicht mehr, ich weiß nicht, wo der Korb stehen soll.”

„Morgen ist ja auch noch ein Tag,” tröstete ich, „jetzt will ich dann gleich telegraphieren, daß unser Foxel abgeschickt wird.”

Aber meine Frau widersprach: „Laß das auch noch bis morgen. Habe ich so lange auf die Erfüllung meines heißesten Wunsches warten müssen, so kann ich auch noch einen Tag länger warten. Erst muß ich wissen, wo der Korb stehen soll. Früher kann ich den Hund nicht gebrauchen.(7)

Es war später als sonst, als wir uns endlich schlafen legten, und meine Frau wollte überhaupt nicht zu Bett gehen: „Ich freue mich zu sehr auf den Hund, ich werde doch die ganze Nacht kein Auge zumachen, warum soll ich mich da erst hinlegen?”

Endlich legte sie sich doch nieder, und als ich am nächsten Morgen zu ihr in das Schlafzimmer trat, hatte sie wirklich die ganze Nacht kein Auge zugemacht, das sah ich ihr deutlich an.

Das tat mir aufrichtig leid, aber auf der anderen Seite war ich doch glücklich, ihr mit dem Hund eine solche Freude zu bereiten, und so sagte ich denn: „Kannst du dich denn noch immer nicht darüber beruhigen, daß du nun deinen Foxel bekommst?”

Meine Frau ergriff meine Hände: „Du bist viel zu gut mit mir, und ich weiß gar nicht, wie ich dir je danken kann. Aber ich habe mir heute nacht nochmals alles reiflich überlegt, es ist doch besser, wir schaffen uns keinen Hund an.”

Ich glaubte nicht recht gehört zu haben. „Nanu?” fragte ich. Das war alles, was ich in meinem grenzenlosen Erstaunen zu sagen vermochte.

„Höre mich an,” bat meine Frau, „du weißt, wie sehr ich mir einen Hund wünsche, aber ich darf nicht nur an mich, ich muß auch an dich denken. Du liebst ja nun einmal keinen Hund, und er würde dich auch zu sehr bei der Arbeit stören. Vor allen Dingen kostet er aber auch viel zu viel. Denk' nur allein an die Steuern. Gewiß, du willst sie ja bezahlen, aber vierzig Mark im Jahr sind viel Geld, das sind in zwei Jahren schon achtzig und in fünf Jahren schon zweihundert. Und(8) das Geld können wir uns sparen oder wenigstens viel besser anwenden. Dafür bekomme ich schon die große, schöne Reisetasche mit dem festen Einsatz für Blusen und Kleider. Die kostet sogar nur 140 Mark, da sparst du also schon sechzig Mark.(9) Ich habe es mir überlegt, die Tasche brauche ich viel notwendiger, und das ist nur eine einmalige Ausgabe, während ein Hund fortwährend Geld kostet. Gewiß, ein Foxel ist süß, aber wenn du mir denn nun doch unbedingt etwas schenken willst, dann kaufe mir lieber gleich heute morgen die Reisetasche.”

Fassungslos hatte ich den Worten meiner Frau zugehört. Nicht nur, weil ich daraus die mir völlig fremde Neuigkeit erfuhr, daß ich unbedingt die Absicht gehabt habe, ihr etwas zu schenken, sondern vor allen Dingen, weil unser Foxel sich über Nacht plötzlich in eine Reisetasche verwandelt hatte.

Aber auch darüber durfte ich mich schließlich weiter nicht wundern. So erfüllte ich denn schnell die neue Bitte, doppelt schnell, weil ich wirklich keine Hunde liebe, und weil nun keiner ins Haus kam, weder jetzt noch später, denn jeden Gedanken daran hatte meine Frau für alle Zeiten aufgegeben.

Bis mir dann plötzlich unser gestriger Einkauf einfiel! „Was machen wir denn nun mit dem Hundekorb und all den anderen Sachen? Leider sind sie schon bezahlt, da werden die Leute sie wohl nicht wieder zurücknehmen.”

„Das ist ganz ausgeschlossen,” stimmte meine Frau mir bei, „ich würde mich aber an deiner Stelle nicht weiter darüber ärgern.”

„Aber es ist doch herausgeworfenes Geld,” schalt ich.

Da schmiegte meine Frau sich zärtlich an mich, und mich mit voller Liebe ansehend, sagte sie mit leiser Stimme: „Vielleicht schenkst du mir später doch noch mal einen Hund.”


Fußnoten:

(1) In der Fassung des „Berliner Tageblatts” heißt es hier: „sagten”. (Zurück)

(2) In der Fassung der „Weimarischen Landeszeitung” fehlen hier die drei Sätze ab „Man kann doch nicht” bis „und ihn pflegen”. (Zurück)

(3) In der Fassung des „Berliner Tageblatts” heißt es hier: „hätte”. (Zurück)

(4) In der Fassung der „Weimarischen Landeszeitung” fehlt hier dieser letzte Satz ab „Das ist ja”. (Zurück)

(5) In der Fassung des „Berliner Tageblatts” heißt es hier: „für unseren Foxel”. (Zurück)

(6) In der Fassung der „Weimarischen Landeszeitung” fehlt hier dieser letzte Satz ab „Bald stand der Korb”. (Zurück)

(7) In der Fassung der „Weimarischen Landeszeitung” fehlen hier diese letzten drei Sätze ab „Habe ich so lange”. (Zurück)

(8) In der Fassung der „Weimarischen Landeszeitung” fehlen hier diese letzten zwei Sätze ab „Denk' nur” bis zu dem verbindenden „Und”. (Zurück)

(9) In der Fassung der „Weimarischen Landeszeitung” fehlt hier dieser letzte Satz ab „Die kostet”. (Zurück)


„Satakunnan Kansa” vom 10.6.1923:


„Postimees” vom 8.12.1910:


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