Wenn Frauen es gut meinen.

Von Freiherr von Schlicht
in: „Die Ehestifterin”


Was man sich als Mann nicht alles einbildet! Als meine Frau sich vor Jahren bereiterklärte, mich zu heiraten und sich von mir heiraten zu lassen, da hätte ich jeden Eid der Welt darauf geschworen, daß sie mich aus Liebe nahm, denn ein anderer Grund lag nach meiner gewissenhaften Überzeugung nicht vor. Ja, wenn ich ein männlicher Goldfisch gewesen wäre — aber Goldfische sind bekanntlich immer weiblich. Ja, wenn ich die lieblichen Dukaten, die ich im Laufe langer Jahre verdiente, nicht wieder ausgegeben hätte, dann hätte ich vielleicht auch meine metallischen Vorzüge gehabt. Ja, wenn es in meinem Leben kein dreifaches „wenn” gegeben hätte — aber ein dreifaches „W” gibt es fast in jedem männlichen Leben, ein dreifaches „W”, man kann aber auch sagen ein dreifaches „Wenn”: Wein, Weib und Würfelspiel.

Nein, ich war wirklich kein Goldfisch, also warum hätte meine Frau mich da wohl heiraten sollen, wenn nicht aus Liebe. Und es ist ja so schön, sich einzubilden, daß man geliebt wird. Das schmeichelt der Eitelkeit eines jeden Menschen noch viel mehr, als das eigene Spiegelbild, das jedem Betrachter sagt: du bist schön. Sich einzubilden, geliebt zu werden, ist noch viel schöner. Daher ist auch bei vielen Menschen die Enttäuschung so groß, wenn sie plötzlich erfahren, daß sie gar nicht geliebt werden und daß alles, was ihnen in dieser Hinsicht vorgeredet wurde und was sie sich selbst einbildeten, blauer Dunst war. Das Bewußtsein, oder wenigstens der Glaube, geliebt zu werden, ist das stärkste Narkotikum, an dem wir uns nicht nur täglich, sondern stündlich berauschen. Selbst bei dem Erwachen aus einem Opiumrausch verspürt man keinen so großen Katzenjammer, wie bei dem Erwachen aus einem Liebestraum.

Es ist so schön, sich einzubilden, daß man geliebt wird und warum sollte meine Frau mich nicht geliebt haben, als sie mich heiratete. Bis sie mir dann eines schönen Tages, als wir nach Tisch bei dem Kaffee und bei der Zigarette zusammensaßen, mit der größten Seelenruhe erzählte, jetzt hätte sie mich ja lieb, schon weil sie sich inzwischen an mich, an meine Fehler und an meine Untugenden gewöhnt hätte, aber damals vor Jahren, als ich sie fragte, ob sie mich heiraten wolle, da hätte sie mich eigentlich scheußlich gefunden. Nein, scheußlich, das wäre zuviel gesagt, aber wenigstens beinahe scheußlich und auch äußerlich hätte ich ihr gar nicht gefallen. Gar nicht wäre sogar noch zu wenig, denn sie hätte mich doch noch aus der Zeit gekannt, da sie selbst ein junges Mädchen war und ich ein schlanker preußischer Leutnant. Und als sie mich dann nach zwanzig Jahren wiedersah — — viel zu stark wäre ich inzwischen geworden, weil ich zuviel am Schreibtisch gesessen hätte, anstatt spazierenzugehen. Und dann hätte ich einen so entsetzlich langen schwarzen Bart gehabt und als sie damals Witwe geworden sei, hätte sie sich geschworen: wenn du überhaupt jemals wieder heiratest, dann nimmst du dir nur einen bartlosen Mann. Und dann hätte alles an mir nach Zigarren gerochen, die Kleider, die Hände, sogar die Nasenspitze! Und als sie damals Witwe geworden sei, hätte sie sich geschworen: wenn du überhaupt jemals wieder heiratest, dann nur einen Nichtraucher, ich aber rauchte fünfzehn bis zwanzig Zigarren den Tag. Und dann hätte ich gerade an jenem Nachmittag, an dem ich sie fragte, ob sie meine Frau werden wolle, eine so entsetzliche Weste getragen. Gewiß, an und für sich wäre die Weste sehr schön und modern gewesen, aber der bunte Stoff hätte so gar nicht zu mir gepaßt und eigentlich und uneigentlich hätte ihr alles an mir mißfallen.

Aber geheiratet hatte meine Frau mich doch.

Warum?

Die Lieblingsbeschäftigung der Frauen besteht darin, uns Männern Rätsel aufzugeben, auf deren Lösung die Frauen selber noch viel neugieriger sind als wir, denn da keine Frau sich selbst versteht, da keine aus sich selbst klug wird, ist sie doppelt und dreifach gespannt, ob der Mann sie zu begreifen und zu verstehen vermag.

So sah meine Frau mich denn auch mit ihren großen blauen Kinderaugen voller Neugierde an, als sie mich fragte, warum sie mich denn eigentlich geheiratet hatte, wenn ihr damals so vieles an mir mißfiel? Ich war begierig, die Antwort zu erfahren, aber meine Frau war es erst recht. Das sagte sie mir natürlich nicht, aber ich las es in ihren Mienen.

Meine Frau wußte nicht, was sie mir zur Antwort geben sollte und gerade weil sie es nicht wußte, sagte sie: „Na, wenn du das immer noch nicht weißt, hat es ja auch gar keinen Zweck, es dir zu erklären.”

Eine andere Antwort zu erwarten, wäre von mir töricht gewesen, denn etwas Ähnliches antwortet die Frau in ähnlichen Fällen immer. Wenn eine Frau, die sich mit ihrem Geliebten ein heimliches Rendezvous mit zärtlichen Küssen und Umarmungen gab, nach Hause kommt und von dem ungeduldigen Gatten gefragt wird, wo sie denn nur solange gesteckt habe, dann wird sie es zunächst ganz unbegreiflich finden, daß ihrem Manne die Zeit lang geworden ist, während ihr die Stunden wie Minuten verflogen, sie begreift es tatsächlich nicht, sie hat es nicht einmal nötig, sich deswegen zu verstellen. Dann aber sagt sie: „Wo ich war? Wenn du dir das nicht selber denken kannst, hat es auch keinen Zweck, es dir zu sagen, daß ich bei Frau von X. zum Tee war. Das hättest du dir bei ruhiger Überlegung doch selber sagen müssen.”

Und es ist ihr tatsächlich unbegreiflich, daß ihr Mann sie mit seinen Gedanken nicht bei Frau von X. gesucht hat. Es ist ihr erst recht unbegreiflich, daß er sie dort nicht antelephonierte, aber hätte er sie dort telephonisch zu erreichen versucht, dann wäre es ihr ebenso unbegreiflich gewesen, warum er sie denn ausgerechnet bei dieser Frau von X, vermutete. Er hätte sich doch sagen müssen, daß sie bei ihrer Schneiderin war!

Während mir diese und ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen, sah meine Frau mich immer noch erwartungsvoll an, um von mir zu hören, warum sie mich denn eigentlich geheiratet habe — sie hatte sich die Antwort auf meine Frage bequem gemacht, für mich war die wesentlich schwerer. Ich mußte unwillkürlich an den jungen Ehemann denken, dem seine Frau den ersten selbstgekochten Kalbsbraten vorsetzt und die ihm freudestrahlend zuruft: „Männe, rate mal, was das ist und wenn du es geraten hast, dann sage mir mal offen und ehrlich, wonach es schmeckt.”

Und wie der junge Ehemann, so riet auch ich im stillen, nein, ich riet nicht, ich überlegte sehr ernsthaft und ließ im Geiste die letzten Jahre meines Lebens an mir vorüberziehen, das Leben von einst und das Leben, das ich seit Jahren an der Seite meiner jetzigen Frau führe. Ich verglich die Vergangenheit mit der Gegenwart und erkannte dankbarst an, daß sich inzwischen vieles zu meinen Gunsten geändert hatte. Die Sturm- und Drangperiode lag hinter mir, ein stilles, ruhiges Glück umgab mich.

So sagte ich denn plötzlich: „Ja ja, du hast recht, du brauchst es mir nicht erst besonders zu erklären, ich weiß, warum du mich trotzdem geheiratet hast: du meinst es gut mit mir.”

Ich sah es meiner Frau an, auf jede Antwort war sie vorbereitet gewesen, auf diese nicht — sie machte ein ganz erstauntes und verdutztes Gesicht und hätte mir am liebsten zugerufen: Ach nein! Glaubst du wirklich? Wie kommst du denn nur darauf?

Aber dieses grenzenlos erstaunte Mienenspiel dauerte nur den zehnten Bruchteil einer Sekunde. Wo ist der berufsmäßige Mimiker, der seinen Gesichtsausdruck auch nur annähernd so in der Gewalt hat, wie eine Frau? Man sagt immer: die Frau ist die geborene Verstellung. Aber das stimmt nicht, weil eine Frau sich schon deshalb nicht verstellen kann, weil sie felsenfest davon überzeugt ist, daß sie sich niemals verstellt. Eine Frau schwört darauf, daß sie immer echt, daß sie immer sie selbst ist, während nach ihrer Überzeugung nur wir Männer die geborenen Komödianten sind.

Für eine kurze Sekunde war das Gesicht meiner Frau Zweifel, Erstaunen, Überraschung, Verwunderung und sonst noch alles mögliche gewesen, jetzt aber sah sie mich mit einem Blick unendlicher Liebe und Güte an, während sie mir zugleich zurief: „Lange genug hat es ja gedauert, bis du dahinter­gekommen bist, warum ich dich nahm. Endlich siehst du es nun heute ein, denn du hast recht mit deinen Worten, ich erhörte dich nur, weil ich es gut mit dir meinte, weil ich Mitleid mit dir empfand, weil ich dir hinweghelfen und dich darüber trösten wollte, über vieles Schwere, das du in deinem bisherigen Leben durchmachen mußtest — weil ich mir sagte, daß du eine Frau brauchst, die es wirklich gut mit dir meint und ich meine es so gut, wie keine andere.”

In den Augen meiner Frau schimmerte eine Träne, so gerührt war sie von ihrer Güte, oder war es eine Freudenträne, weil sie es nun endlich aus meinem Munde gehört hatte, warum sie gerade mich heiratete?

Meine Frau meinte es tatsächlich gut mit mir, das hatte ich schon längst an tausend und abertausend Dingen bemerkt, aber nun fing sie sn, es mir zu beweisen.

Wenn eine Frau einem Manne beweisen will, daß und wie gut sie es mit ihm meint, dann sorgt sie für sein leibliches Wohlergehen. In der Ehe geht die Liebe durch den Magen, bei der freien Liebe wäre so etwas natürlich der Tod. Man denke sich einen wirklichen Kavalier, einen Herzog oder einen sonstigen Großen, der voller Sehnsucht zu seiner Geliebten eilt, dem diese erst ein Beefsteak mit Bratkartoffeln oder etwas Ähnlichem vorsetzt, bevor sie ihn an ihr Herz schließt. Der Tod der Liebe ist die Prosa. Deshalb gibt es auch so wenige glückliche Ehen. Die Prosa der ehelichen Liebe fängt schon auf der Hochzeitsreise an, wenn der Mann seine junge Frau bittet, ihm einen Hemdenknopf anzunähen.

Die schönste Hand der schönsten Frau hört auf, schön zu sein, wenn sie sich einen Fimgerhut aufsetzt und wenn ihre schlanken Finger einen Faden einfädeln.

Kein Mann von Geschmack und Eleganz wird jemals von seiner Freundin verlangen, daß diese für ihn zur Nadel greift. Keine Freundin von Geschmack und Eleganz würde solche Bitte jemals erfüllen, aber in der Ehe ist auch das, wie so vieles andere, „etwas ganz anderes”. Da wird das Unwahrscheinlichste etwas ganz Selbstverständliches und anstatt, daß der Mann seiner Frau zuruft: „Bediene mich nicht, raube dir und mir dadurch nicht den Zauber und den Reiz, der deine Person und dein Wesen umgibt” — — anstatt so zu sprechen, freut sich der Mann, wenn seine Frau für ihn sorgt.

Und um mir zu beweisen, daß sie es wirklich gut mit mir meine, sorgte meine Frau für mich, indem sie mir die verbotensten Gerichte entweder kochen ließ oder indem sie mir diese selbst bereitete. Und meine Frau kann kochen. Sie kocht nicht nur mit der denkbar besten Butter, sondern auch mit Liebe. Die Liebe ist dabei die Hauptsache und doch ist mir noch kein Kochbuch in die Hände gekommen, in dem ein Rezept mit den Worten anfängt: man bereite das ganze mit viel Liebe. Statt dessen heißt es immer nur: man nehme die und die Zutaten.

Meine Frau kochte und ließ für mich kochen und da sie es gut mit mir meinte, leiß sie mir natürlich nur solche Gerichte vorsetzen, die mir vom Arzt verboten waren, weil sie mich zu stark machten.

Aber von ihrem Standpunkt aus hatte meine Frau sicher recht, denn unmöglich kann eine Frau ihrem Mann ihre Liebe dadurch beweisen, daß sie ihm kurgemäß trockene Zwiebacke zu essen gibt. Und der Genuß von kurgemäßem Fachinger Wasser hat noch kein Jünglingsherz zu heißen Liebesschwüren entflammt.

Um mir zu beweisen, wie gut sie es mit mir meine, fütterte meine Frau mich, als wäre ich bisher ein Skelettmensch gewesen und sie vergaß dabei ganz, daß ich ihr bisher immer schon zu stark erschienen war. Die Folge war natürlich, daß ich noch stärker wurde und wenn ich dagegen zuweilen passiven Widerstand erhob, dann rief meine Frau mir zu: „Immer iß, wenn es dir schmeckt! Taille hast du ja doch nicht und ob du da noch einen halben Zentimeter mehr zunimmst oder nicht, das ist doch auch noch so.”

Bis mein Schneider dann eines Tage konstatierte, daß ich nicht nur einen halben, sondern elf und einen halben Zentimeter stärker geworden war.

Als ich mit der Botschaft nach Hause kam, machte meine Frau ein freudestrahlendes Gesicht, denn erst jetzt bot sich ihr Gelegenheit, mir wirklich zu beweisen, daß sie es gut mit mir meine und diesen Beweis wollte sie mir dadurch erbringen, daß sie mich wieder entfettete, nicht nur die zugenommenen elf und einen halben Zentimeter sollte ich wieder los werden, sondern noch viele andere dazu, ich sollte wieder schlank werden wie damals, da ich noch als junger Leutnant durch die Welt lief.

Meine Frau wollte mich entfetten und diesem ruchlosen Entschluß ließ sie sofort die Tat folgen. Zunächst machte sie die Fenster weit auf und warf die ganze Liebe, mit der sie bisher für mich gekocht hatte, krachend auf das Straßenpflaster, dann fuhr sie heimlich zur Stadt und kaufte sich noch heimlicher einen Grill, auf dem das Fleisch ohne Butter und ohne Sauce in seinem eigenen Saft gebraten wird. Als ich dann am ersten Mittag die so zubereiteten Kalbskoteletts vor mir sah, da erhob ich meine Stimme zu einem gotteslästerlichen Fluch. Aber das nicht allein, ich streikte, ich wollte wieder essen, wie ich es in den letzten Monaten getan hatte. Aber meine Frau blieb unerbittlich und den letzten Widerstand brach sie bei mir, als sie mir zurief: „Tue es mir zuliebe, ich meine es doch gut mit dir.”

Wenn ein Mann es mit seiner Frau oder sonst jemandem gut meint, denkt er dabei wirklich nur an den anderen. Wenn eine Frau es mit jemandem gut meint, denkt sie dabei in erster Linie an sich selbst. Wenn eine Frau ihren Mann mit den schönsten Gerichten füttert, tut sie es, damit er nicht aufhört, ihre Kochkünste zu loben, und entfettet sie ihren Mann, dann tut sie es nicht, damit er einem Herzschlag entgeht, sondern in erster Linie, damit sie wieder einen schlanken Mann bekommt.

Ein Mann ist solange stolz auf seine Frau, bis er eine andere kennen lernt, die er noch hübscher und begehrenswerter findet, dann ist es mit der Liebe zu der eigenen Frau vorbei. Eine Frau will aber immer stolz auf ihren Mann bleiben und eine Frau betrügt ihren Mann zuweilen nur deshalb, um sich hinterher voller Stolz eingestehen zu können, daß ihr eigener Mann viel netter, viel hübscher und viel begehrenswerter sei, als ihr Freund.

Es liegt eine große Wahrheit in dem Wort einer jungen Frau: „Ich kann meinem Mann nicht treu sein, wenn ich ihm nicht zuweilen untreu bin.”

Der Tod der Liebe ist der Vergleich, aber der Vergleich führt die Eheleute auch sehr oft wieder zusammen.

Fast allen Männer gefällt jede Frau besser als die eigene. Die Frau aber sträubt sich sehr lange dagegen, daß ihr ein anderer Mann besser gefallen könne, als der eigene und deshalb formt und knetet sie solange an dem herum, bis er so geworden ist, wie sie ihn haben möchte.

Und wenn der Mann sich dagegen auflehnt, wenn er schon aus Bequemlichkeit oder aus anderen Gründen so bleiben möchte wie er ist, dann bittet die Frau mit ihrer weichsten und zärtlichsten Stimme: „Ich meine es doch nur gut mit dir, tue es mir zuliebe.”

Die Worte „mir zuliebe” müßten polizeilich und gesetzlich verboten werden. Einer Frau zuliebe werden täglich Verbrechen jeglicher Art begangen. Einer Frau zuliebe kann der größte Ehrenmann plötzlich der größte Schurke werden, weil er sich in dem Augenblick seiner Tat über das wahre Wesen der Liebe gar nicht klar ist.

Was eine Frau einem Mann zuliebe alles tut, entspringt fast immer dem Herzen, die Handlungen des Mannes fast immer nur den Sinnen.

Ein Mensch, der von einem anderen einen Beweis seiner Liebe verlangt, hält die Liebe für käuflich und die gekaufte Liebe ist um so weniger wert, jeteurer sie bezahlt wird.

Aber was helfen alle Überlegungen, wenn eine Frau und noch dazu die eigene uns bittet: tue es mir zuliebe. Schon um des Friedens willen tut man, was man soll und das tat auch ich. Ich entfettete mich und wurde schlanker und schlanker, bis es dann endlich damit genug war, bis der Arzt seine warnende Stimme erhob und mir zurief: „Bis hierher und nicht weiter.” Ich war ja so glücklich; in der Nacht, die diesem Tage folgte, hatte ich einen gar lieblichen Traum, in dem es nach Trüffeln, frischer Butter, schönen Torten und nach allen anderen nur möglichen Delikatessen duftete. Aber als ich dann am nächsten Morgen hocherfreut über die leiblichen Genüsse, die meiner mit der Zeit wieder harrten, in das Zimmer meiner Frau trat, lag diese blaß und abgespannt im Bett und erzählte mir mit todmüder Stimme, sie habe die ganze Nacht nicht geschlafen.

Wenn eine Frau angeblich die ganze Nacht kein Auge zugemacht hat, dann ist sie totensicher fünf Minuten, nachdem sie sich niederlegte, eingeschlafen und ist frühestens, aber auch allerfrühestens eine Viertelstunde eher als sonst aufgewacht.

Wenn alle Frauen alle schlaflosen Nächte, von denen sie zu erzählen wissen, wirklich durchmachten, dann würden auch wir Männer an schlaflosen Nächten leiden, denn wenn eine Frau wirklich einmal nicht schlafen kann, dann weckt sie sofort ihren Mann, um diesem die große Neuigkeit zu erzählen. Schläft eine Frau, die nicht schlafen kann, mit ihrem Mann in demselben Zimmer, dann weckt sie ihn sicher, schläft ihr Mann aber in einem anderen Zimmer, dann weckt sie ihn totensicher und wenn sie ihn trotzdem einmal nicht weckt, dann unterläßt sie das nicht, um ihrem Manne die Nachtruhe zu gönnen, sondern weil sie selber so fest geschlafen hat, daß ihr nicht einmal im Traum der Gedanke kam, ihrem Manne zu beweisen, daß sie schon wieder an Schlaflosigkeit litt.

Es gibt viele Frauen, die nur deshalb an Schlaflosigkeit leiden, um sich interessant zu machen. Gesund ist es ja sicher, gleich einzuschlafen und auch des Morgens noch so fest zu schlafen, daß man nicht wach zu bekommen ist. Aber selbst die schönste Frau verliert an Reiz, wenn sie des Morgens gähnend mit verschlafenen Augen daliegt und sich nicht darauf besinnen kann, wo sie ist. Das Erwachen ist für eine Frau ebenso eine Kunst, wie die, sich zu kleiden. Wie keine Frau von Geschmack sich selbst ihrem Ehemann nicht zeigt, bevor sie ganz angezogen ist, so dürfte sich erst recht keine Frau ihrem Mann zeigen, bevor sie erwacht ist.

Es würde viel weniger unglückliche Ehen geben, wenn es keine gemeinsamen Schlafzimmer gäbe.

Wenn der Mann das Schlafzimmer seiner Frau betritt und wenn diese ihrem Mann erlaubt, es zu betreten, muß das eine Auszeichnung und eine Belohnung sein, die der Mann sich durch sein Verhalten und durch sein Liebeswerben immer aufs neue zu verdienen hat. In dem Schlafzimmer seiner Frau sollte der Mann sich stets nur als Gast fühlen, er darf sich dort aber niemals als zu Hause betrachten, wenn dieser Raum ncht sehr bald an jeglichem Reiz verlieren soll, den er dann je nach Veranlagung sehr bald oder etwas später außerhalb seines Hauses zu suchen beginnt. Das schon deshalb, weil das Suchen soviel amüsanter ist, als das Finden oder gar der Besitz. Auch jedes junge Mädchen sucht den Mann, in den sie sich verlieben könnte und wenn sie ihn dann gefunden hat, sieht sie häufig nur zu schnell ein, daß sie nicht den richtigen gefunden hat. Nicht, weil er nicht der richtige wäre, sondern weil auch der Frau jeder Besitz eine Enttäuschung bereitet. Wenn eine Frau die kostbarste Toilette, die ihr auf den schlanken Leib gearbeitet ist und die sie zahllose Male anprobierte, höchstens, aber auch allerhöchstens zweimal in der Öffentlichkeit getragen hat, dann hat sie das Kleid über. Wie sollte es ihr da mit ihrem Mann nicht ebenso gehen, wenn sie sich mit diesem nicht nur zweimal, sondern viele hundert Male gezeigt hat.

Eine Frau schwört darauf, daß sie sich nur deshalb schmückt, um ihrem eigenen Manne zu gefallen, aber gerade deshalb beachtet sie sehr genau die Wirkung, die sie auf die anderen Männer ausübt, denn wenn sie selbst denen gefällt, muß sie nach ihrer Ansicht doch erst recht ihrem eigenen Manne gefallen und sie würde das nach ihrer Überzeugung auch sicher tun, wenn ihr Mann eben nicht schon ihr Mann wäre. Wenigstens redet die Frau sich das ein und jeder Mann ist dagegen machtlos. Sagt er seiner Frau noch so offen und ehrlich: „Du warst heute abend die Schönste,” dann glaubt sie es ihm nicht, weil er es ihr sagt.

Jee Frau, der man sagt, sie sei die Schönste des Festes gewesen, fühlt sich im ersten Augenblick, vielleicht für die ersten fünf Minuten, dadurch geschmeichelt, dann aber empfindet sie das Lob als eine Beleidigung, denn daß sie die Schönste war, wußte sie doch von allein. Warum sagt man es ihr da noch? Das setzt doch voraus, daß man ihre Erscheinung mit den anderen verglich, daß man es wagte, ihre Schönheit mit der der anderen zu messen. Und schon das ist für sie, die sich selbst als die Königin fühlte, ein Schlag ins Gesicht.

Die Frauen verzeihen selten, was man ihnen sagt, viel eher das, was man ihnen verschweigt.

Wenn eine Dame einem Herrn zuruft: „Wenn Sie mir nun aber nicht endlich meine Bitte erfüllen und mir alles erzählen, dann werde ich Ihnen für alle Zeiten ernstlich böse” — wenn die Dame so spricht, dann gibt es wirklich nur ein Mittel, sie tatsächlich für immer zu erzürnen, man muß ihre Bitte erfüllen und ihr sagen, was sie zu wissen begehrte.

Die geistreichste Art, sich mit Frauen zu unterhalten, besteht sehr häufig darin, nur in Andeutungen zu sprechen, die alles ahnen lassen, aber nichts verraten.

Je häufiger ein Herr im Laufe des Gespräches den Damen gegenüber in diskreter Weise mit den Schultern zu zucken versteht, für desto klüger und amüsanter wird er gehalten.

Die Frauen verstehen in der Unterhaltung nicht die Kunst des Schweigens, deshalb sind sie sehr selten klug und amüsant und da sie das selber wissen, bemühen sie sich, geistreich zu sein .

Geistreiche Frauen sind aber nicht nach dem Geschmack eines jeden Mannes und weil die Frauen natürlich auch das wissen, bemüht sich selbst die wirklich geistreiche Frau, sich nebenbei noch interessant zu machen. Und jede Frau schwört darauf, daß es sie interessant macht, wenn sie an Schlaflosigkeit leidet. Natürlich nicht, weil sie am Abend vorher zuviel Käse, oder sonst ein schwerverdauliches Gericht zu sich nahm, sondern aus Gründen, die sie selbstverständlich schon deshalb nicht verrät, weil sie die selbst nicht kennt und weil sie es gar nicht weiß, was Schlaf­losigkeit bedeutet.

Aber als ich an jenem Morgen, nachdem der Arzt seine warnende Stimme erhoben hatte, zu meiner Frau in das Zimmer trat, sah ich es ihr auf den ersten Blick an, sie hatte tatsächlich nicht geschlafen. Müde und zerschlagen lag sie in ihren Kissen, der Schlummer war ihr nicht gekommen und das nicht ohne Grund: sie hatte mich doch nur geheiratet, weil sie es gut mit mir meinte und sie war in der letzten Zeit so namenlos glücklich gewesen, es mir auch beweisen zu können. Erst hatte sie mich angefettet, dann hatte sie mich entfettet, jetzt hatte sie die ganze Nacht vergebens darüber nachgedacht, wie sie es mir nun im Zukunft beweisen könne, daß sie es gut mit mir meine.

Ganz traurig und verzagt blickte sie mich an, bis dann plötzlich ein glückliches Lächeln ihren Mund umspielte, bis sie mit ihren kleinen Händen meine Wangen streichelte und bis sie mir dann zurief: „An alles habe ich heute nacht gedacht, nur nicht an deinen Bart. Ich habe dir erzählt, wie scheußlich ich den von Anfang an fand, ich habe dich schon lange bitten wollen, dir den bedeutend kürzer schneiden zu lassen, aber ich traute mich nicht, weil ich nicht wußte, ob du es im stillen anerkanntest, daß ich es gut mit dir meine, aber seitdem du mir das offen und ehrlich eingestanden hast — nicht wahr, du tust mir die Liebe und läßt dir wenigstens den Vollbart abnehmen? Glaube mir, du wirst um wenigstens zehn Jahre jünger aussehen.”

Als Simson sich sträubte, zum Friseur zu gehen und sich die Haare schneiden zu lassen, kann er sich unmöglich mehr gesträubt haben, als ich es tat, aber es half mir gar nichts und zu spät dachte ich an die Wahrheit des alten Wortes: es gibt nur ein Mittel dem Willen einer Frau zu entgehen — man muß sich dem fügen. Je schneller sich ein Mann bereiterklärt, den Wunsch seiner Frau zu erfüllen, desto weniger besteht sie darauf, daß ihr Wunsch auch tatsächlich erfüllt wird. Viel lieber denkt sie sich dann einen neuen Wunsch aus, dessen Erfüllung auf weit größere Schwierigkeiten stößt, bis sie dann endlich etwas gefunden hat, dessen Ausführung selbst ihr unmöglich erscheint. Erst dann ist sie wahrhaft glücklich.

Nicht nur, wenn man vom Rathause kommt, sondern auch, wenn man den Friseurladen verläßt, ist man zuweilen klüger, als wenn man hingeht. So erging s auch mir, aber es war zu spät. Mein Vollbart, der bisher mein Gesicht umrahmt hatte, hatte auf den Erde gelegen, war mit dem Besen zusammengefegt worden und lag nun im Müllkasten.

Meine Frau war glücklich, so jung, so hübsch, so begehrenswert hatte ich nach ihrer Überzeugung nie ausgesehen, selbst nicht vor vielen Jahren, als ich noch als junger Leutnant durch das Weltall lief. Meine Frau strahlte, aber in ihre grenzenlose Freude mischte sich sehr schnell ein neuer großer Kummer. Was sollte sie nun von mir verlangen, was sollte sie mir nun Gutes antun, um mir zu beweisen, daß sie es wirklich gut mit mir meine?

Bis meine Frau dann doch schnell etwas Neues erfand: sie wollte mir das Weintrinken abgewöhnen und das viele Rauchen!

„Warum nicht auch gleich das Essen, das Schlafen, das Atmen, die Arbeit, das Geldverdienen, das Spazierengehen und noch vieles andere?” fiel ich meiner Frau erregt in das Wort, um dann fortzufahren: „Wenn du es wirklich gut mit mir meinst und mir das noch mehr als bisher beweisen willst, dann meine es in Zukunft etwas weniger gu mit mir, denn wenn du es bis an mein Lebensende weiterhin so gut mit mir meinen willst wie bisher, dann garantiere ich dir schon heute schriftlich, daß ich eines Tages so nervös bin, daß du mich zum mindesten in eine Kaltwasserheilanstalt, wenn nicht gar in ein Irrenhaus bringen lassen kannst. Und was du dann sagen würdest, weißt du in diesem Augenblick doch ganz gewiß selber nicht.”

„Doch,” widersprach meine Frau, „doch, das weiß ich schon jetzt genau,” und sich zärtlich an mich schmiegend, während sie mich zugleich mit einem Blick voller Liebe ansah, rief sie mir zu: „Versprich mir, daß du nicht krank werden willst, denn wenn du jemals in eine Anstalt kämst, hätte ich gar keine frohe Minute mehr. Tag und Nacht würde ich um dich weinen, aber eins würde mich trösten, ich hätte an alledem keine Schuld, denn ich habe es mit dir wirklich nur gut gemeint!”


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© Karlheinz Everts