Aufruf!

Für Deutschtum und deutsche Kunst im Auslande.

Bühne und Welt, 1903/04 Seite 1004/1005.


Der Deutschen im Auslande erstes Bestreben war es allezeit, in der neuen Heimat Schulen zu gründen, auf daß sie Pflanzstätten deutschen Wesens würden. Früher aber als daheim entwächst draußen in der Diaspora die Jugend der Schule, und recht wenig findet sich dann noch in der Hast und Unrast des Berufslebens Gelegenheit, sich weiterzubilden und mit zu erfreuen an dem, was heimatliche Literatur und Kunst schaffen. Eine patriotische Pflicht ist es darum, daß wir, die wir an vollbesetzter Tafel sitzen, uns derer erinnern, die darben an dem, was sich uns so leicht bietet, daß wir nur eben die Hand auszustrecken brauchen.

Was könnte wohl mehr als gute deutsche Theater-Vorstellungen beitragen zu immer neuer Hebung und Belebung des Zusammen­gehörigkeits­gefühls mit dem Vaterlande? Stets freudig werden draußen in der Fremde die deutschen Laute auf der Bühne begrüßt, Fleisch und Blut gewinnen typische Gestalten aus der Heimat, solch ein Gastspiel läßt so unendlich viel Saiten anklingen, weckt so zahlreiche Erinnerungen, daß man, um dies recht ermessen zu können, nur einmal unter Deutschen in der Fremde ein gutes, deutsches Schauspiel mit angesehen haben muß.

Wenigen europäischen Städten aber außerhalb der Grenzen Deutschlands und Oesterreichs ist es vergönnt, ständige deutsche Bühnen zu besitzen wie London, St. Petersburg, Riga. Viele Orte, in denen große deutsche Kolonien mehr und mehr wachsen an Zahl und Bedeutung, wurden wohl vorübergehend durch Gastspiel-Unternehmer aufgesucht, so namentlich Bukarest, Belgrad, Sofia, Braila, Galatz, Konstantinopel, Odessa. Diese Unternehmungen aber hatten in der Regel mit so großen Schwierigkeiten zu kämpfen, daß ihre erfolgreiche Ueberwindung ohne fremde Hilfe vorerst ausgeschlossen erscheint.

Die kurze Dauer des Engagements, die Höhe der Reisekosten belasten den Tagesetat bedeutend, da wurde dann in der Regel die Zahl der Mitglieder so knapp bemessen, daß viele tüchtige Werke überhaupt nicht, viele nur mit Streichungen und illusionstörenden Doppelbesetzungen gegeben werden konnten.

Endlich mußte im Hinblick auf die kostspielige Ausstattung von der Wiedergabe vieler guter Bühnenwerke ganz abgesehen werden.

So konnte dort in jenen Ländern, Rumänien, Bulgarien, Serbien, in Südrußland und in Konstatinopel die deutsche Kunst nicht werden, wozu sie berufen ist: ein mächtiges Mittel, das Zusammen­gehörigkeits­gefühl mit der Heimat zu beleben, berechtigten Stolz zu wecken und Freude zu fördern an den Werken heimatlicher Geistesarbeit.

Da soll es denn eine Ehrenpflicht vieler sein, dazu beizutragen, daß ein gutes deutsches Theater dort Fuß fasse. Die erforderlichen Opfer sind nach an Ort und Stelle gesammelten fachmännischen Gutachten nicht unerschwinglich, es müßte ein Garantiefonds von 30 000 bis 40 000 Mk. geschaffen werden, der ausreichte, innerhalb des Zeitabschnittes der nächsten drei Jahre ein voraussichtliches Minus zu decken. Ist dann erst das Vertrauen in die Gediegenheit der Darbietungen zurückgewonnen, dann wird, das ist aller Meinung, ein solches Unternehmen aus sich heraus gesichert sein.

Dieser aufzubringende Garantiefonds soll nicht zur Bestreitung der Gastspielkosten an sich dienen, er soll nur eine Reserve bilden für voraussichtlich entstehende Mindereinnahmen. Wenn aber das gezeichnete Kapital nicht in Anspruch genommen zu werden braucht, so soll mit den Zinsen zunächst ein kleiner Fundus an Dekorationen und Kostümen geschaffen werden, der einem der großen deutschen Vereine in Bukarest zur Aufbewahrung zu übergeben ist, da diese Stadt, als der gegebene Mittel- und Ausgangspunkt des Unternehmens, aus zahlreichen Gründen ins Auge zu fassen ist.

Die gezeichneten Beiträge würden bis Mitte September an ein großes deutsches Bankhaus zu zahlen sein, die Rechnungslegung erfolgt nach Abschluß jeder Spielzeit, ein zu ernennendes Komitee wird diese prüfen und, den Bedingungen der Zeichnung entsprechend, über die Verwendung des Fonds jedem der Zeichner einen Rechenschaftsbericht zustellen. Die Korrespondenz für die Schaffung dieses Fonds hat der mitunterzeichnete Herr von Metzsch-Schilbach übernommen.

So sei denn die herzliche Bitte wiederholt, mithelfen zu wollen an diesem Werk, das berufen ist, den Deutschen im Auslande die Liebe zur heimatlichen Kunst, die Mitfreude an deutscher Geistesarbeit zu wecken und das Zusammen­gehörigkeits­gefühl mit der Heimat zu erhalten.

Wolf Graf Baudissin. Richard Bong. Georg Elsner. Dr. Johannes Fastenrath. Josef Frischen. Dr. Ludwig Fulda. Dagobert von Gerhardt-Amyntor. Max Grube. Friedrich Haase. Max Halbe. Gerhardt Hauptmann. Dr. Hugo von Hofmannsthal. Gustav Kadelburg. Lili Lehmann-Kalisch. Gerhard Graf Leutrum von Ertingen. Dr. Theodor Löwe. Wolf von Metzsch-Schilbach. Otto Neumann-Hofer. Felix Philippi. Paul Prahl. Aloys Prasch. Dr. H. Pserhofer. Emanuel Reicher. Sartorius Reinhold, Hannover. Dr. Max Sachse. Emil Prinz von Schönaich-Carolath. Walther Schulte vom Brühl. Karl Siegismund. Otto Sommerstorff. Dr. Julius Stinde. Julius Straßmann. Pauline Ulrich. Richard Voß. Dr. Ernst von Wildenbruch. Ernst von Wolzogen. Fedor von Zobeltitz.

Beiträge werden erbeten an das Bankhaus Calmann in Hannover auf Konto „Deutsche Gastspiele”; Korrespondenzen an Baron von Metzsch-Schilbach in Hannover, Kirchwenderstraße 12.


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