Freiherr von Schlicht und der Film


„Die "Deutsche Bioscop-GmbH" schaltete in der ersten Nummer 1913 des "Kinematograph" auf dessen Titelseite eine Anzeige, in der sie verkündete: "Films berühmter Autoren sind die Zukunft des Kinos! In dieser Erkenntnis haben wir uns durch weitgehende Verträge u. erhebliche finanzielle Opfer das alleinige Bearbeitungs- u. Aufführungsrecht gesichert aller Werke von: Max Kretzer, Hans Land, Carl Rosner, Arthur Zapp, Freiherr von Schlicht, Dr. Hanns Heinz Ewers, Victor Blüthgen, Fritz Mauthner, H. K. Fischer-Aram, v. Oppeln-Bronikowski ... Wir werden noch mehr tun für die moralische und künstlerische Hebung des Kinos!" Hier zeigt sich schon, daß es den Filmleuten nicht um die Gesamtheit der deutschen Bühnenschriftsteller ging, wie der Kartellvertrag vorgaukelte, sondern um die wenigen zugkräftigen Namen. Denn nur mit den großen Namen, so glaubte man, lasse sich einerseits im Kino ein gutes Geschäft machen, andererseits das schlechte Öffentlichkeitsbild der Branche heben. Nur letzteres sollte sich mit Einschränkungen erfüllen.”
(Helmut H. Diederichs: Frühgeschichte deutscher Filmtheorie, Seite 51)

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„Der Kinematograph”, Nr. 314 vom 1.1.1913

„In der Einleitung zu seiner "Autorenfilm"-Umfrage vom März 1913 hatte "Der Kinematograph" 27 Namen aufgezählt: "... vorurteilsfreie Romanschriftsteller und Dramatiker haben sich bereit finden lassen, ihre Werke, soweit sie der immerhin beschränkten Darstellungsmöglichkeit durch den Kinematographen gerecht werden, der 'Verfilmung' zugänglich zu machen." Es ist sehr aufschlußreich zu überprüfen, wie viele und welche dieser Autoren entweder selbst Drehbücher schrieben oder ihre Werke auch wirklich in Deutschland bis zum Ersten Weltkrieg verfilmt sahen. Der erste auf der "Kinematograph"-Liste konnte nur Gerhart Hauptmann sein - und hier ist bereits die erste Einschränkung zu machen, denn die Hauptmann-Verfilmung von 1913, Atlantis, war eine dänische Produktion der Nordisk. Die erste deutsche Hauptmann-Verfilmung ließ bis 1919 auf sich warten: Rose Bernd mit Henny Porten, Jannings und Krauß. Als zweiten nannte der "Kinematograph" Hermann Sudermann, der wohl mehr durch Zufall gerade 1913 nicht verfilmt wurde; die beiden Sudermann-Verfilmungen von 1910 und 1912 wurden bereits genannt und in den Folgejahren entstanden Die Geschichte der stillen Mühle (1914), Der Katzensteg (1915) und Stein unter Steinen (1916). Hanns Heinz Ewers, Paul Lindau, Ada von Gersdorff, Adolf Paul und Hans Land schrieben - wie berichtet - Originaldrehbücher. Ferner wurden von den 27 im Jahr 1913 verfilmt: Viktor Blüthgen (Gendarm Möbius), Karl Rosner (Der Herr des Todes, Remake 1926), Arthur Zapp (Joly, Das Ehrenwort). Dazu kommen noch Felix Holländer, dessen Eid des Stephan Huller bereits 1912 einem zweiteiligen Film den Stoff lieferte, sowie zwei Verfilmungen, die erst 1914 zur Ausführung kamen: Aus Clara Viebigs Novellensammlung "Kinder der Eifel" Delila sowie "Leutnantsstreiche" nach Motiven des Freiherrn Schlicht (= Wolf Graf von Baudissin).”
(Diederichs, a.a.O. S.60)

Die „Autorenfilm-Umfrage” erschien in der Nummer 326 der Fachzeitung „Der Kinematograph” vom 26. März 1913 und umfaßte die Fragen:

Neben anderen Autoren beantwortete auch Schlicht-Baudissin diese Fragen:

Freiherr von Schlicht-Weimar:
Ich bin leider mit Arbeiten so überhäuft, dass es mir bei dem besten Willen nicht möglich ist, alle an mich ergehenden Anfragen und Rundfragen beantworten zu können. Ich möchte Ihnen nur kurz mitteilen, dass auch ich einer grossen Filmfabrik das Recht eingeräumt habe, meine sämtlichen Werke für den Film zu bearbeiten.


In seiner Autobiographie erwähnt Schlicht ganz kurz seine Verbindung zum Film.


In der Kurzgeschichte „Das Kinogirl” (in „Aber so was!”, S.45) versucht ein junges Mädchen, die Kontakte des Ich-Erzählers zur Kinowelt auszunutzen, um in diesem Metier Fuß zu fassen und möglichst schnell möglichst weit voranzukommen.


„Leutnantsstreiche”

Im Jahre 1914 wurde der Film „Leutnantsstreiche” nach Motiven von Frhr. v. Schlicht gedreht und am 30. Oktober 1914 uraufgeführt. Die Vorlage zu diesem Film ist die Kurzgeschichte „Der Zar und sein Leutnant” aus der Sammlung „Der geplagte Rittmeister” (Otto Janke, Berlin, 1901).


„Femmes Infideles”

In „BLACK AND WHITE AND BLUE” (ADULT CINEMA FROM THE VICTORIAN AGE TO THE VCR, 2007, ECW PRESS,CANADA, ISBN 1-55022-791-2.) erwähnt der Autor Dave Thompson auf Seite 134 den Film „Femmes Infideles”, der nach Motiven aus „Treulose Frauen” (von Frhr. v. Schlicht) gedreht wurde:

In Femmes Infideles, the heroine is aroused by a work by the turn-of-the-century German humorist Freiherr von Schlicht, Treulose Frauen (Perfidious Women). The camera closes in on a handful of the book's lightly amorous illustrations, before following the reader to bed, were she undresses, climbs between the covers and falls asleep. But what dreams she has, . . . . .

Dieser Film ist in der Sammlung „Vintage Erotica 1950” (auf DVD) enthalten.


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© Karlheinz Everts